Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë
zu finden, so müssen Entscheidungen getroffen und es muss Korrektur gelesen werden. Ich bezweifle, dass Branwell lange genug nüchtern bleiben kann, um uns bei dieser Sache überhaupt von Nutzen zu sein.«
»Und selbst wenn es ihm gelänge«, fügte Emily hinzu, »so wird Branwell, wie ich ihn kenne, versuchen, uns das Projekt aus der Hand zu nehmen, und darauf bestehen, dass er – weil er ja der Mann ist – genau weiß, wie man alles am besten macht.«
»Was in seinem gegenwärtigen Geisteszustand eine Katastrophe wäre«, sagte ich. »Dieses eine Mal möchte ich etwas machen, woran nur wir beteiligt sind, um zu beweisen, dass drei Frauen, die zusammenhalten, etwas schaffen können, das der Mühe wert und wunderbar ist, ohne dass Männer daran beteiligt sind. Was meint ihr?«
»Ich sage ja«, riefen Anne und Emily wie aus einem Munde.
Mit großer Erregung begannen wir mit den Vorbereitungen für unser kleines Buch. Wir wählten neunzehn meiner Gedichte und je einundzwanzig von Emily und Anne aus. Wir einigten uns gleich von Anfang an darauf, das Manuskript als Werk dreier Autoren mit Pseudonym einzureichen, und gaben uns große Mühe bei der Auswahl unserer Künstlernamen.
»Wenn wir nicht die Brontës sein können, dann wollen wirzumindest einen Namen wählen, der mit B beginnt«, sagte Anne.
Wir erwogen und verwarfen Baker als zu provinziell, Byron als zu großartig, Bennett als zu walisisch, Buchanan als zu schottisch und Brown als zu langweilig. Anne schlug Bewley vor, aber Emily fand, das klänge wie das Blöken eines verwundeten Tiers, und die Namen Bolster, Bigler und Blenkinsop rührten uns zu Lachtränen.
Wir dachten sehr ernsthaft über die Wahl unserer Vornamen nach. Wir wollten uns nicht als Frauen zu erkennen geben, aber gleichzeitig wollten wir keine Namen annehmen, die zu eindeutig männlich waren, da uns das als eine zu freche Lüge erschien.
»Es gibt viele Vornamen, die nicht auf das Geschlecht des Trägers hinweisen«, sagte ich.
»Ich beabsichtige, mir einen Vornamen zuzulegen, der mit dem gleichen Buchstaben wie mein eigener anfängt«, erklärte Anne.
»Lasst uns das doch alle so machen«, sagte ich. »Nehmen wir Alliterationen.«
Wir unterzogen jeden nicht eindeutig männlichen oder weiblichen Vornamen, der uns einfiel und der mit C, E oder A begann, einer genauen Prüfung. So wären wir beinahe Cameron, Elliot und Aubrey Brook geworden, Cassidy, Eustace und Ashton Beech oder Chase, Emery und Adrian Bristol.
Irgendwann legten wir uns dann auf die Vornamen Currer, Ellis und Acton fest. Ende Oktober waren wir aber noch immer in einer heftigen Debatte über den Familiennamen begriffen. Damals fanden sich die vornehmsten Mitglieder unserer Gemeinde zu einer Feier zusammen, um das Aufhängen der neuen Glocken zu feiern.
Das ursprüngliche Geläut unserer Kirche war alt und vergleichsweiseklein gewesen. Die ältesten Glocken stammten aus dem Jahre 1664, die anderen beiden hatte man in den 1740er Jahren hinzugefügt. Papa, der einen schöneren Klang wünschte und es den Glockenläutern von Haworth möglich machen wollte, an den gerade so populär gewordenen Wettbewerben im Wechselläuten teilzunehmen, hatte im Frühling ein Komitee gegründet, das Geld sammeln sollte, welches es möglich machte, die ursprünglichen drei alten Glocken durch ein Geläut mit sechs Glocken zu ersetzen. Innerhalb von zwei Monaten hatte man die nötigen Mittel aufgebracht, und Papa konnte bei Mr. Mears in London seine Bestellung für den Guss der Glocken aufgeben. Man hatte die neuen Glocken gerade eben im Turm aufgehängt, und alle, die Geld beigetragen hatten, waren zu einem frühen Abendessen im »Black Bull« geladen, auf das zur Einweihung ein feierliches Glockenläuten folgen sollte.
Zum Glück erschien mein Bruder nüchtern zum Abendessen, und er blieb es auch eine gute Stunde, ehe er nach Hause getragen werden musste. Papa begrüßte alle Anwesenden mit einer kurzen Ansprache und dankte ihnen für ihre Unterstützung. Dann erhob sich John Brown, der Küster, ein gedrungener Mann von Anfang vierzig, brachte einen Lobgesang auf Papas Dienst an der Gemeinde zu Gehör und sprach ihm besonderen Dank für diese letzte Errungenschaft aus. Während meine Schwestern und ich den gekochten Schinken, die Petersilienkartoffeln und die verschiedenen Gemüse genossen, die aufgetragen wurden, lauschten wir voller Stolz den begeisterten Bemerkungen unserer Nachbarn.
»Sie haben da etwas Wunderbares geschafft,
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