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Die Geheimnisse der Therapeuten

Die Geheimnisse der Therapeuten

Titel: Die Geheimnisse der Therapeuten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christophe André
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die Beziehung zu ihnen dennoch gut bleibt.

17 – Frédéric Fanget
    Der Therapeut und das Selbstbewusstsein
    Ich möchte Ihnen fünf Situationen vorstellen, die ich erlebt habe und bei denen es jedes Mal um Selbstbewusstsein oder Selbstbehauptung geht. Diese Erlebnisse haben mir viel gebracht und mich über dieses im Alltag so nützliche Konzept nachdenken lassen. Wie ich hoffe, werden Ihnen diese kleinen Geschichten – so wie mir – ein besseres Verständnis davon geben, was es bedeutet, selbstbewusst zu sein oder sich selbst zu behaupten, und was es uns jeden Tag in unserem Leben bringen kann: beispielsweise das Gefühl, dass wir authentisch und in Einklang mit unseren Bedürfnissen sind, aber auch die Möglichkeit, menschliche Beziehungen zu vertiefen und herzlicher zu gestalten, im Privat- wie im Berufsleben.
    Auch mit Selbstbewusstsein kann man nicht alles haben
    Das Beispiel mit dem Fisch: ein guter Fang
    Ich lud zwei Freundinnen am Meer zum Essen ein. Als ich die Bestellung aufgeben wollte, sagte der Ober jovial: »Wir haben auf der Tageskarte sehr schönen frischen Fisch, wenn Ihnen das zusagt …« Nachdem ich mich mit meinen Freundinnen abgestimmt hatte, antworte ich dem Kellner: »Ja, wir hätten gerne einen Wolfsbarsch für drei Personen. Hätten Sie ein Exemplar von etwa 1,2 kg?« »Für drei Personen braucht man mindestens 1,5 kg«, antwortete er. Ich erwiderte: »Tut mir leid, aber 1,2 kg reichen uns völlig aus.« Meine beiden Freundinnen und ich sind mäßige Esser, und ich wusste, dass ein Wolfsbarsch von 1,2 kg, selbst wenn man die Abfälle wegrechnete, für uns reichen würde. Ich fuhr fort: »Könnten Sie bitte in der Küche nachfragen, ob Sie einen Wolfsbarsch von 1,2 kg haben?«
    Der Kellner kam einige Minuten später zurück: »Tut mir leid, der kleinste wiegt 1,5 kg.«
    Um mich spendabel zu zeigen und meinen Gästen eine Freude zu machen, war ich mit dem Fisch von 1,5 kg einverstanden. Es sei angemerkt, dass der Kellner den Fisch nicht vor unseren Augen abwog. Ich konnte also nicht nachprüfen, inwieweit er die Wahrheit sagte. Einige Minuten später erschien er wieder und fragte: »Was nehmen Sie als Vorspeise?« Ich: »Wir wollten eigentlich nur Fisch essen.« Der Kellner: »Das könnte dauern …« Ich war ein bisschen erstaunt, denn ich wusste, wie lange die Zubereitung eines Wolfsbarschs dauert; sie geht schnell. Aber er beharrte: »Wenn Sie wollen, könnten Sie eine oder zwei Vorspeisen für drei Personen nehmen, um sich die Wartezeit zu verkürzen.«
    Auch da war ich zugegebenermaßen wenig selbstbewusst und akzeptierte den Vorschlag, um meinen Gästen eine Freude zu machen. Wir aßen also unsere Vorspeisen, und zwanzig Minuten später kam der Kellner voller Stolz wieder, um den Tisch abzuräumen, und sagte: »Sind Sie mit der Vorspeise fertig? Kann ich den Fisch in Auftrag geben?« Was eindeutig hieß, dass er den Fisch noch nicht in Auftrag gegeben hatte und die Zubereitung nicht so lange dauerte, wie er gesagt hatte.
    Einige Minuten später servierte er uns den Fisch. Ich kenne dieses Gericht, und ich bin mir vollkommen sicher, dass der Fisch weit davon entfernt war, 1,5 kg zu wiegen.
    Kleine Philosophie der Selbstbehauptung
    Diese Szene zeigt, wie selbstbewusst man sein muss, um nicht manipuliert zu werden. Trotz meiner Erfahrung und der Übung in Selbstbehauptung seit annähernd zwanzig Jahren ließ ich mich beim Gewicht und damit dem Preis des Fisches vermutlich übers Ohr hauen, da der Preis vom Gewicht abhängig war. Aber im vorliegenden Fall war der Fisch schmackhaft, das Ambiente idyllisch und der Abend nett.
    Wie würde ich mich heute mit besserer Selbstbehauptung verhalten?
    Auch aus dem Abstand heraus denke ich heute, dass ich einverstanden wäre, mich ein wenig beschummeln zu lassen, um den wunderbaren Abend zu genießen, den wir zu dritt erlebten, und es mir gut gehen zu lassen.
    Das Wesentliche ist, die positive statt die negative Seite der Medaille zu sehen. Das heißt, dass es nichts bringt, die Aufmerksamkeit darauf zu richten, dass man beim Preis hereingelegt wurde. Im Gegenteil: Man sollte lernen zu würdigen, was an einer bestimmten Situation positiv ist. Im vorliegenden Fall war es dieser schöne Abend zweifellos wert, 300 Gramm Fisch mehr zu bezahlen. Wenn Sie ein wenig manipuliert oder beschummelt

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