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Die Geheimnisse der Therapeuten

Die Geheimnisse der Therapeuten

Titel: Die Geheimnisse der Therapeuten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christophe André
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werden, nehmen Sie es ab und zu hin, wenn ansonsten alles Übrige stimmt.
    Die andere Lehre, die man aus dieser Geschichte ziehen kann, ist, nicht zu versuchen, den anderen, in diesem Fall den Kellner, zu ändern. Tatsächlich hörte ich, wie er an allen anderen Tischen den gleichen Vorschlag mit dem zu großen Fisch machte! Selbst wenn ich mich besser behauptet hätte, hätte das nichts an seiner Einstellung geändert.
    Man schadet sich selbst, wenn man dem anderen schlechte Absichten unterstellt
    Das Zuspätkommen des Ehepartners
    Ich hatte die leidige Tendenz, sehr schnell wütend zu werden, wenn wir ins Wochenende oder in die Ferien fahren wollten und meine Frau regelmäßig zu spät fertig war. Ich hatte sogenannte nach außen übertragene negative Gedanken, wie man in der kognitiven Therapie sagt. Das heißt, dass ich sie für meinen eigenen Unfrieden verantwortlich machte. Ich sagte mir: »Sie ist unorganisiert, sie respektiert ihre Abmachungen mit mir nicht, sie schafft es immer, die Sachen nicht rechtzeitig zu erledigen; andere Dinge haben für sie Vorrang vor unseren Wochenenden …«
    Sie können sich vorstellen, dass es mir natürlich ziemlich schlecht ging, nachdem ich diese Art Gedanken eine gewisse Zeit lang wiedergekäut hatte, und ich eine heftige Wut verspürte, wenn sie schließlich fertig war, sodass ich sie mit völlig unbegründeten Vorwürfen überhäufte.
    Wie ich mit mehr Selbstbewusstsein mit meiner Wut umgehen würde
    Heutzutage würde ich versuchen, meine negativen Gedanken durch realistischere Gedanken zu ersetzen. Insbesondere würde ich meiner Partnerin positive Absichten unterstellen, die mich dazu bringen könnten, anders zu denken. Beispielsweise: »Sie hat sehr viel Arbeit, es tut ihr wahrscheinlich selbst leid, dass sie sich verspätet. Sie tut ihr Bestes; auch sie würde lieber pünktlich in die Ferien fahren. Ihre Verspätung ist nicht so schlimm, die Hauptsache ist, dass wir heute Abend losfahren. Es macht nichts, wenn wir ein bisschen länger brauchen. Sehen wir die positive Seite der Dinge: Wir fahren in die Ferien, unsere Verspätung ist nur eine Nebensache.«
    Ehrlich sein, statt sich in Heimlichtuereien zu verstricken
    Wenn man überrumpelt wird
    Ich habe mehrere Bücher geschrieben, in denen ich Fälle von Patienten anführe, die bei mir in Therapie sind. Um ihre Anonymität zu wahren, verändere ich natürlich ihre Vornamen und oft auch andere Charakteristika, wie das Alter, den Beruf und manchmal sogar das Geschlecht. Trotzdem sagte mir ein Patient eines Tages, während er mich anlächelte und mich eine Widmung in mein letztes Buch schreiben ließ: »Ich habe mich auf Seite 132 und den folgenden Seiten Ihres Buches wiedererkannt.« Mir war das außerordentlich peinlich, und ich hatte das Gefühl, ihn verraten und vor den Augen der Öffentlichkeit bloßgestellt zu haben. Meine Verlegenheit, Verwirrung und Scham führten dazu, es vehement zu leugnen: »Das stimmt nicht, ich habe nicht von Ihnen gesprochen …« Aber der Patient, der seit seiner Therapie ziemlich selbstbewusst war, wusste sehr gut, wovon er sprach, und beharrte: »Ich habe mich wiedererkannt, Sie sprechen von meinen Kindern: Ich habe die geschilderte Szene eindeutig wiedererkannt …«
    Immer noch ziemlich beschämt, verwirrt und wenig selbstbewusst, leugnete ich weiter: »Wissen Sie, viele Patienten erzählen mir ähnliche Geschichten …« Aber je mehr ich widersprach, desto mehr fiel mir auf, dass ich in dieser Situation gar nicht selbstbewusst und authentisch war.
    Wenn ich selbstbewusster gewesen wäre, hätte ich vermutlich so geantwortet: »Stimmt, das sind Sie. Ich fand, dass Ihr Beispiel sich gut zur Veranschaulichung eignet und für das allgemeine Publikum interessant ist [Authentizität]. Aber es ist mir peinlich, dass ich es nicht vorher mit Ihnen abgesprochen habe. Das hätte ich tun sollen [den Fehler anerkennen]. Im Übrigen entschuldige ich mich bei Ihnen, wenn Sie das irritiert hat [Einfühlungsvermögen, die Gefühle des anderen anerkennen].« Eine solche Reaktion wäre in dieser Situation angemessener gewesen, denn tatsächlich war der Patient sehr stolz darauf, dass ich sein Beispiel in meinem Buch verwendet hatte. Das begriff ich zu meiner großen Erleichterung bald danach.
    Unsere Unvollkommenheiten
machen uns

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