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Die Geheimnisse der Toten

Die Geheimnisse der Toten

Titel: Die Geheimnisse der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Harper
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niedriger, scheinbar herabgedrückt von der Last der Außenwelt. Abby hatte aufgehört, die Kehrtwenden, die sie machten, zu zählen, und verließ sich ganz auf die Zeichen an den Wänden. Ohne sie wären sie verloren gewesen, dessen war sie sich sicher.
    Die Männer vor ihr hielten so plötzlich an, dass sie Mark in die Hacken lief. Sie hatten einen Querstollen erreicht. Lusetti leuchtete suchend in beide Richtungen.
    «Kein Zeichen mehr zu sehen.»
    «Aber es muss eins da sein», sagte Mark. Seine Stimme verriet Anspannung. «Die können uns doch nicht bis hierher geführt haben und uns dann hängenlassen.»
    «Die?» , wiederholte Lusetti. «Glauben Sie etwa tatsächlich, die führten uns an Ihr Wunschziel?»
    Vier Lampenstrahlen huschten im Zickzack über körnigen Fels, auf dem sich aber nur die Furchen der Werkzeuge erkennen ließen, mit denen er behauen worden war. Und, weiter vorn, eine verstaubte Ziegelmauer, die eine Grabnische vom Boden bis zur Decke versiegelte.
    «Ist die erst kürzlich entstanden?», fragte Mark. Lusetti schüttelte den Kopf.
    «Das sieht mir nach römischem Mauerwerk aus.»
    «Vielleicht sind wir am Ziel», sagte Abby. Sie drängte sich an Barry und Mark vorbei und klopfte gegen die Ziegel. Die Wand machte einen soliden Eindruck.
    «Es könnte sein, dass –»
    Die Kugel traf Mark in die Brust. Der Schuss hallte krachend durch die Katakombe. Barry drehte sich um, ging in die Hocke und feuerte seine Waffe dreimal ab. Abby warf sich auf den Boden und versuchte, in Deckung zu kriechen.
    Weitere Schüsse detonierten hinter ihr, Lichtblitze zuckten auf. In der engen Höhlung nahm sich der Schusswechsel wie ein Artilleriegefecht aus. Sie sprang auf und rannte links in den Querstollen, um sich in Sicherheit zu bringen.
    Der Stollen endete nicht vor einer Ziegelwand, sondern vor schierem Fels, wo die Grabenden, erschöpft, wie sie gewesen sein mochten, ihre Arbeit eingestellt und den Rückzug angetreten hatten.
    Die Schüsse verhallten, ihr Echo sank zu Boden wie Staub. Und die Stille zerrte fast noch mehr an den Nerven, hielt aber nicht lange vor. Im Rücken hörte Abby Schritte langsam näher kommen.
    Metall ratschte über Metall, als ein Pistolenschlitten zurückgezogen wurde.

[zur Inhaltsübersicht]
    46
    Konstantinopel – Juni 337
    Einer von uns beiden muss tot sein. Ich weiß in diesem Augenblick wirklich nicht, wer: er oder ich. Der Mann, dem ich ins Gesicht blicke, starb vor elf Jahren an einem fernen Strand. Ich selbst habe ihm das Messer in den Rücken gestoßen, ich trug seinen Leichnam durch das halbe Reich und begrub ihn im tiefsten Loch, das ich finden konnte.
    Und jetzt steht er vor mir – lebendig, atmend, die dunklen Augen auf mich gerichtet.
    Ich schließe meine Augen, kneife sie zu, bis ich nur noch kleine, flammende Punkte sehe. Als ich sie wieder aufschlage, steht er immer noch vor mir.
    Es fehlt nicht viel, und der Magen dreht sich mir um. Mein Kopf fühlt sich an, als drohe er zu platzen. Das ist doch nicht möglich!
    Ich konzentriere mich auf die Augen. Sind es wirklich seine? Sie haben ihren Glanz verloren, wirken verschleiert und scheinen keinen Fokus zu finden. Er sieht verwirrt aus, als wisse er nicht, was er hier tut.
    «Crispus?», presse ich hervor.
    Sein Gesicht verzerrt sich. Er tritt zurück, versinkt im Schatten. Ich bin froh, denn ihn zu sehen schmerzt wie der ungeschützte Blick in die Sonne. Es ist nicht zu ertragen.
    Ich wende mich Porfyrius zu.
    «Wie hast du das gemacht?»
    «Ich habe es dir gesagt.»
    «Aber das ist doch unmöglich.»
    «Mit der Hilfe Gottes ist nichts unmöglich», entgegnet er ruhig. «Willst du deinen Finger in die Wunde stecken, die du in seinen Rücken gerissen hast?»
    Woher weiß er, dass ich Crispus erstochen habe? Alle Welt glaubt doch, er habe Gift genommen.
    «Unmöglich», wiederhole ich flüsternd.
    «Das dachte ich früher auch einmal.»
    «Und warum …»
    Von draußen dringt Fanfarenschall durch die dicken Mauern. Offenbar rückt der Trauerzug näher. Und mit seinem lauten Getöse ein leiser Widerhall. Endlich, viel zu spät, erkenne ich, was Porfyrius vorhat.
    «Du wirst … ihn als Konstantins Nachfolger präsentieren!»
    «Wenn das Feuer entfacht ist und der Adler aus den Flammen emporsteigt, wird das Volk Konstantins wahren Erben vor Augen haben. Ein Wunder. Was hätten Constantius und seine Brüder dagegen aufzubieten?» Er kichert. «Natürlich haben wir einen Teil der Wachen bestochen. Sie werden Constantius in

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