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Die Geheimnisse der Toten

Die Geheimnisse der Toten

Titel: Die Geheimnisse der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Harper
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Marmorplatten versiegelt. Abby fühlte sich an riesige Setzkästen erinnert.
    «Cubicula» , erklärte Lusetti. «Darin wurden die Toten beigesetzt.»
    Er richtete den Lampenstrahl auf eine Marmortafel, in deren geriffelte Oberfläche das Christuszeichen X-P eingraviert war. «Sie schmückten die Grabstätten aus, um ihre Vorfahren später wiederfinden zu können.»
    Abby fragte: «Kennen Sie ein Zeichen namens Staurogramm?»
    «Natürlich.»
    «Gibt es davon Beispiele hier unten?»
    Lusetti zuckte mit den Schultern. «Diese Katakombe ist seit Jahren geschlossen, ich war selbst schon lange nicht mehr hier. Und Tafeln mit Inschriften gibt es kaum mehr welche, sie sind fast alle gestohlen worden.»
    Eine Girlande aus Glühbirnen beleuchtete ihren Weg auf den ersten zweihundert Metern. Danach spendeten nur noch diese Stirnleuchten Licht, deren dünner Strahl auf und ab und hin und her wischte, während sie tiefer in den Tunnel vordrangen.
    «Wie hat man sich hier früher zurechtgefunden?», fragte Mark. Abby kam es vor, als sagte er nur etwas, um eine menschliche Stimme zu hören.
    Lusettis Lampenstrahl traf auf eine kleine Nische, die ungefähr auf Hüfthöhe in die Wand eingelassen war. «Darin stand früher eine Lampe. Zur Zeit der Römer gab es wohl Hunderte, vielleicht Tausende solcher Stellen, an denen Lichter brannten.»
    Sie kamen an zahllosen cubiculae vorbei und gelangten an einen Abzweig zweier weiterer Tunnel. Sie hielten an.
    «Wohin jetzt?», fragte Barry.
    «Von Dragovićs Leuten ist keine Spur zu sehen.» Marks Lampenstrahl beschrieb einen Bogen über die Wände, als er sich umdrehte und in die Richtung leuchtete, aus der sie gekommen waren. «Wir sollten wieder nach oben gehen und uns dort auf die Lauer legen.»
    Er hält es hier unten noch weniger aus als ich , dachte Abby. Sie fragte sich, ob die Katakombe eine tiefsitzende Angst in ihr wachrief oder ob ihr Unbehagen einfach nur daher rührte, dass sie so hautnah mit der eigenen Sterblichkeit konfrontiert wurde. Sie zwang sich, ruhig und gleichmäßig zu atmen. Alles halb so schlimm, redete sie sich ein. Ihr Lampenstrahl fiel auf eine kleine Marmorscheibe in der Öffnung einer cubicula . IN PACE, lautete die Inschrift. Das wusste auch Abby zu übersetzen. In Frieden . Daneben war ein Christusmonogramm zu sehen, darüber eine krude gezeichnete Taube mit einem Ölzweig im Schnabel.
    Frieden und Hoffnung. Für einen flüchtigen Moment empfand Abby Sympathie für die geduldig Harrenden, deren Gebeine hier unten Nische um Nische füllten. Die Grabstätten hatten für sie ihren Schrecken verloren.
    Sie folgte dem Schein ihrer Lampe, der plötzlich einen Schatten auf der Wand in Bewegung brachte, ein Flackern wie von einer im Licht schwirrenden Motte. Sie konzentrierte ihren Blick darauf.
    Da! Ein Muster, mit schrägen Kanten in den Fels geschlagen, sodass, wenn es von unten angestrahlt wurde, fast gar kein Schatten fiel. Nur weil ihre Lampe auf dem Helm saß, hatte sie darauf aufmerksam werden können. Aber auch frontal angestrahlt, war kaum etwas zu erkennen. Sie musste sich auf die Zehenspitzen stellen, neigte den Kopf ein wenig – und erkannte das Zeichen wieder, das ihr Leben beherrschte, seit Michael ihr vor zwei Monaten eine Schmuckschatulle in die Hand gedrückt hatte. Das Staurogramm. Es war über der Öffnung eines nach links führenden Gangs in den Fels geritzt.
    Abby drängte an Lusetti vorbei und tauchte in den Tunnel ein. «He!», rief Mark ihr nach, doch sie ignorierte ihn. Nach zehn Metern traf sie auf einen Quergang. Sie schaute nach rechts, nach links, und da war es wieder: dasselbe Zeichen, in der Wand zu ihrer Linken.
    Rettungszeichen, das den Weg dorthin illuminiert.

    Lusetti ging jetzt voran, gefolgt von Barry und Mark. Abby bildete das Schlusslicht. Sie glaubte, schleichende Schritte hinter sich zu hören, doch sooft sie ihren Lampenstrahl rückwärtsrichtete, sah sie nichts als Gräber.
    Ihr war, als wanderte sie durch zeit- und raumlosen Nebel. Die Gräberreihen wurden immer wieder unterbrochen von Felsöffnungen, die in kleine Kammern führten, in denen reiche oder vornehme Familien begraben lagen, oder in Gänge, die sich weiter verzweigten oder mit anderen kreuzten. Wenn das Staurogramm sie im Kreis führte, hätten sie es kaum bemerkt.
    Sie stiegen über eine Treppe tiefer hinab, dann kamen immer noch weitere. Die Luft wurde kühler. Der Boden unter den Füßen war feucht und klebrig wie nasser Sand. Die Decke verlief

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