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Die Geheimnisse der Toten

Die Geheimnisse der Toten

Titel: Die Geheimnisse der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Harper
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Boden gegen die andere. Die Arme hielt sie so eng wie möglich am Körper. Zu atmen war ihr kaum möglich, weil sie die Brust nicht dehnen konnte.
    Die Schritte kamen näher. Ein dünner Lichtstrahl – vielleicht gedämpft vom Staub oder einer schwachen Batterie – huschte durch den Gang. Abby betete, dass er nicht auf sie treffe.
    «Abigail?» Dragovićs Stimme war belegt. «Glaubst du wirklich, du kannst mir entkommen? Glaubst du, Zoltán Dragović würde jemals seine Feinde vergessen?»
    Er hustete – oder lachte. Abby konnte es nicht unterscheiden.
    «Nimm einen Rat von mir an, Abigail, den Rat eines Mannes, der viele dunkle Orte auf dieser Welt kennengelernt hat. Wenn du dich im Dunkeln verstecken willst, vergiss nicht, deine reflektierende Schutzweste vorher abzulegen.»
    Abby sah Dragovićs Schuhe bis auf wenige Zentimeter an die Nische, in der sie lag, herantreten. Es war ihr unmöglich, sich zu bewegen, so fest klemmte sie im Fels. Mit geschlossenen Augen erwartete sie ihr Ende.
    Wieder das eilige Tappen von Schritten – was hatte er vor? Ein unerklärlicher Laut. Schnappte er überrascht nach Luft? Plötzlich ein Schuss und ein dumpfer Aufprall, den sie weniger hörte als fühlte. Danach nichts mehr.
    In der uralten Katakombe wurde die Zeit zu einem Fluss, der sie durchströmte. Sie wusste nicht mehr zu sagen, wie lange sie nun schon dort lag. Es mochte eine Stunde sein, ein Tag oder drei. Ihr einziger Begleiter war Gestein. Sein Geruch hing ihr in der Nase; das in den Ohren pulsierende Blut kam ihr vor wie der Herzschlag des Felsens. Er umarmte sie, sodass sie nicht mehr unterscheiden konnte, wo ihr Körper endete und der Fels begann. In ihren Augen standen Tränen, die nirgendwohin abfließen konnten. Sie fragte sich, ob sie vielleicht in ein paar tausend Jahren an die Oberfläche gelangen und dort als Quelle aus dem Boden springen mochten.
    Allmählich aber kehrten die Empfindungen zurück. Sie spürte Nadelstiche in den Beinen, einen Schmerz in der Schulter, auf die ein Felswulst drückte. Vorsichtig streckte sie den Arm aus und wand sich aus der Nische in den Stollen. Sie ertastete ihren Helm und schaltete die Stirnlampe ein.
    Dragović lag wenige Schritte von ihr entfernt am Boden, tot, mit einer Schusswunde im Kopf. Abby starrte ihn eine Weile regungslos an, um sicherzugehen. Dann drehte sie sich um und strebte ans Licht.

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    47
    Konstantinopel – Juli 337
    Der Palast ist noch unvollendet, aber schon werden erste Renovierungsarbeiten vorgenommen. Auf weiß übertünchte Wandgemälde soll neue Farbe kommen; Inschriften werden mit Zement ausgespachtelt. Ein Mosaikboden mit alten Heldenmotiven ist vollständig abgetragen worden, damit Heilsszenen aus dem Leben Christi an deren Stelle dargestellt werden können. Durch eine Türöffnung blicke ich in einen Raum voller Standbilder: eine marmorne Ansammlung legendärer Gestalten, die gleichmütig ihrem vorbestimmten Schicksal entgegenblicken. Sie werden bald verkauft oder so umgestaltet werden, dass sie der Zeit entsprechen. Ich kann ihnen nachempfinden.
    Ein Zeitalter ist zu Ende gegangen. Konstantin liegt eingeschlossen in seinem Sarkophag aus Porphyr, umgeben von den christlichen Aposteln. Porfyrius’ Leichnam wurde vom Kuppeldach geborgen, einbalsamiert und seinem letzten Wunsch gemäß nach Rom verschifft. Was mit Crispus geschehen ist, weiß ich nicht. Seine Leiche wurde fortgeschafft.
    Ich bin als Einziger übrig geblieben. Ein alter Mann, der in einem Korridor auf sein Urteil wartet.
    Die Tür öffnet sich. Ein Sklave winkt mich herein. Flavius Ursus steht mit verschränkten Armen hinter einem Pult. Vor ihm sitzen zwei Schreiber mit Tafeln und Griffeln. Durch das offene Fenster strömt frische Luft aus dem Innenhof, wo ein Brunnen plätschert.
    Er entlässt die Schreiber und mustert mich. Seiner Miene ist nichts zu entnehmen.
    «Du hast ein außergewöhnliches Leben geführt, Gaius Valerius.»
    Mir entgeht nicht, in welcher Zeitform er spricht.
    «Über deine Taten wurde viel diskutiert. Manche plädieren dafür, dass du als Beteiligter an der Verschwörung gegen den Kaiser hingerichtet werden solltest. Andere sagen, du hättest das Reich gerettet.»
    Ich schweige still. Was immer gesagt wurde, das Urteil steht längst fest.
    «Viele behaupten, den Geist Konstantins gesehen zu haben, wie er aus dem Feuer zum Himmel aufgestiegen sei. Der neue Bischof von Konstantinopel widerspricht ihnen nicht.»
    Der neue Bischof von

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