Die Geheimnisse des Nicholas Flamel - Die silberne Magierin: Band 6 (German Edition)
den Straßen war nicht viel Verkehr und auch nur wenige Fußgänger waren unterwegs. Einige Restaurants am Pier 39 hatten bereits geschlossen.
Nicholas holte tief Luft. »Ich hätte nie gedacht, dass ich am letzten Abend meines Lebens bei starkem Nebel vor einem Restaurant in San Francisco sitzen würde. Ich wollte immer in Paris sterben.«
Perenelle drückte seine Hand. »Denk an die Alternativen«, erwiderte sie in altem Französisch.
»Stimmt. Ich könnte auch allein hier sitzen.«
»Oder ich. Nach all den Jahren – bin ich froh, dass wir noch zusammen sind.«
»Das verdanke ich nur dir.« Der Alchemyst schaute seine Frau an und legte die Hand auf den antiken Skarabäusanhänger, den er unter seinem Hemd trug. In den letzten Stunden war so viel passiert, dass er das Gefühl hatte, ein halbes Leben sei vergangen. Dabei war es erst am frühen Nachmittag gewesen, als Perenelle mithilfe der Aurakraft von Tsagaglalal und Sophie ein wenig von ihrer eigenen Aura in den Skarabäus und dann in Nicholas geleitet hatte. Sie hatte ihm damit noch einmal vierundzwanzig Stunden Leben geschenkt. Dafür hatte sie ihr eigenes Leben um dieselbe Zeit verkürzt. Beide wussten sie auch ohne auf die Uhr zu schauen, dass sie nur noch wenig mehr als neunzehn Stunden zu leben hatten. Sie hatten nicht vor, in dieser Nacht zu schlafen.
Perenelle legte die flache Hand an Nicholas’ Wange. »Ich hab’s dir doch gesagt. In einer Welt ohne dich möchte ich nicht leben.«
»Und ich nicht ohne dich«, erwiderte er leise. Flamel wusste, dass die Übertragung der Aura-Energie seine Frau eine Menge gekostet hatte. Er sah es an den neu hinzugekommenen Falten in ihren Augenwinkeln und um den Mund herum.
Da sie sich seit Jahrhunderten kannten, sah Perenelle ihrem Mann auch ohne Worte an, was er dachte. »Ja, ich bin alt geworden. Mein Haar wird stündlich grauer.« Sie strich sich das lange Haar aus dem Gesicht. »Aber ich habe ja immer gesagt, dass ich deinetwegen noch graue Haare bekomme.« Sie fuhr mit der Hand über den kurzen schwarzen Flaum auf seinem Kopf. Auch die Bartstoppeln auf Wangen und Kinn waren dunkel. »Du dagegen … Meine Aura hat mit deiner offenbar übereingestimmt. Du siehst jung aus.«
»So jung nun auch wieder nicht.«
»Nein, so jung nicht. Aber jung genug. Niemand würde es für möglich halten, dass du in wenigen Monaten sechshundertundsiebenundsiebzig Jahre alt wirst.«
Er drückte ihre Hand. »Den Geburtstag werde ich nicht mehr erleben. Aber trotzdem …« Er lächelte. »Sechshundertundsechsundsiebzig Jahre sind auch nicht schlecht.«
»Jedes Mal, wenn du deine Aura einsetzt, ziehst du von dem Wenigen, das noch im Skarabäus ist, etwas ab, vergiss das nicht.« Sie befühlte den Stein unter seinem Hemd. Ein weißer Funke sprang aus ihren Fingerspitzen und drang knisternd durch den Stoff.
»Verstehe. Ich versuche, nicht daran zu rühren, bis ich sie wirklich brauche.«
»Das wird bald sein. Die Sache mit dem Sittich könnte dich ein paar Stunden deines Lebens gekostet haben.«
Flamel schüttelte den Kopf. »Vielleicht dreißig Minuten. Und das war es wert. Ich hatte ganz vergessen, wie schön das Fliegen ist. Außerdem haben wir dadurch eine Menge erfahren. Wir wissen jetzt, dass Machiavelli und Billy unsere Verbündeten sind.«
»Ich traue ihm nicht.«
»Wem?«
»Eigentlich keinem. Aber am wenigsten Machiavelli. Bei Dee wusste man immer, woran man war.«
»Der Magier hat mir immer ein wenig leid getan«, bekannte Flamel. »Und Machiavelli habe ich insgeheim bewundert. Unter anderen Umständen hätten wir vielleicht sogar Freunde sein können.«
Die Zauberin schnitt eine Grimasse. »Denk an den Ätna.«
»Du hast ihn besiegt. Und verletzt.«
»Er hat dir Gift gegeben. Und den Vulkan zum Ausbruch gebracht!«
»Fairerweise muss man sagen, dass das wohl nicht allein seine Schuld war. Es war ein Nebeneffekt deiner Aura, die den Vulkan geweckt hat. Aber schau – wir leben in seltsamen Zeiten. Es geschieht eine ganze Menge, wovon wir keine Ahnung haben. Nehmen wir unsere Verbündeten, woher wir sie kriegen können. Außerdem«, fügte er mit einem Grinsen hinzu, »sind wir morgen früh tot und es ist nicht mehr unser Problem.«
»Du bist unmöglich!« Perenelle zog ihre Hand weg und verschränkte die Arme vor der Brust. »Sag so etwas nicht.«
»Es ist die Wahrheit.«
Perenelle drehte sich auf ihrem Stuhl um und blickte die Straße hinunter. »Wo sind die Jungs?«, fragte sie.
»Du wechselst das
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