Die geheimnißvolle Insel
übernommen, zu erstatten, und schon suchte er das Vordertheil der Brigg zu erreichen, um ungehört in’s Meer hinabzugleiten.
Doch da kam dem Manne, welcher versprochen hatte, noch mehr als seine Pflicht zu thun, ein heroischer Gedanke. Er wollte sein Leben opfern, aber die Insel und ihre Ansiedler retten. Cyrus Smith konnte offenbar fünfzig bis an die Zähne bewaffneten Banditen nicht auf die Dauer widerstehen, ob diese den Eingang in’s Granithaus nun mit Gewalt zu erzwingen suchten oder die Belagerten nach und nach durch Hunger überwältigten. Dann stellte er sich seine Retter vor, sie, die ihn wieder zum Menschen und auch zum ehrlichen Menschen gemacht hatten, sie, denen er Alles verdankte, ohne Mitleid erschlagen, ihre Arbeiten vernichtet, ihre Insel als Schlupfwinkel einer Seeräuberbande! Er sagte sich, daß er, Ayrton, im Grunde die Ursache all’ dieses Unglücks, daß sein früherer Verbrechergefährte, Bob Harvey, nur seine eigenen Absichten jetzt auszuführen im Begriffe sei – da lief ein erstarrender Schrecken durch alle seine Glieder. Und dann ergriff ihn ein unwiderstehliches Verlangen, die Brigg und Alles, was sie trug, in die Luft zu sprengen. Ayrton mußte bei der Explosion mit zu Grunde gehen, doch – er hatte seine Pflicht gethan.
Er überlegte keinen Augenblick. Die Pulverkammer, welche stets im Hintertheile der Schiffe liegt, zu erreichen, konnte nicht allzu schwer sein; an Pulver konnte es einem Fahrzeuge dieses Schlages nicht fehlen, und ein Funke mußte ja genügen, dasselbe in einem Augenblicke zu zerstören.
Ayrton schlich sich vorsichtig nach dem Zwischendeck, in dem viel trunkene Schläfer umherlagen. Am Fuße des einen Mastes beleuchtete eine Stocklaterne einen rund um jenen laufenden Gewehrständer, der mit Waffen aller Art besetzt war.
Ayrton steckte von denselben einen Revolver zu sich, und sah auch nach, ob er geladen und schußfertig sei. Mehr brauchte er ja nicht, das Werk, der Zerstörung zu vollenden. So glitt er nach dem Hintertheile, um unter das Oberdeck zu gelangen, wo die Pulverkammer sich befinden mußte.
In dem fast dunkeln Zwischendeckraume konnte er freilich nur schwer vorwärts kommen, ohne da und dort an einen halb eingeschlafenen Sträfling zu stoßen; manches Fluch-und Schimpfwort folgte ihm nach. Manchmal war er sogar gezwungen, seinen Weg zu unterbrechen. Endlich gelangte er aber doch an eine Wand, welche den hintersten Theil abschloß, und fand an derselben die Thür, die nach dem Pulverraume führen mußte.
Da Ayrton nichts übrig blieb, als diese mit Gewalt zu öffnen, so ging er sofort daran. Natürlich konnte das ohne einiges Geräusch nicht abgehen, da er gezwungen war, ein Vorlegeschloß zu sprengen. Doch unter Ayrton’s kräftiger Hand sprang das Schloß auf, – die Thür stand offen …
In diesem Augenblicke legte sich ein Arm auf Ayrton’s Schultern.
»Was beginnst Du da?« fragte mit strenger Stimme ein hochgewachsener Mann, der aus dem Schatten hervortrat und mit einer Handlaterne Ayrton voll in’s Gesicht leuchtete.
Ayrton schnellte zurück. Bei dem plötzlichen Lichtscheine hatte er seinen alten Mitschuldigen, Bob Harvey, wieder erkannt, Letzterer aber ihn wahrscheinlich nicht, da er Ayrton schon längst für todt halten mußte.
»Was beginnst Du da?« sagte Bob Harvey und ergriff Ayrton am Gürtel des Beinkleides.
Ohne eine Antwort zu geben stieß Ayrton den Räuberhauptmann kraftvoll zurück und suchte in die Pulverkammer einzudringen. Ein Revolverschuß in diese Tonnen, und Alles war vollbracht! …
»Hierher, Jungens!« rief da Bob Harvey laut.
Zwei bis drei Piraten, die bei dem Zurufe erwacht waren, stürzten sich auf Ayrton und versuchten ihn nieder zu werfen Ayrton riß sich aus ihren Fäusten los. Zwei Schüsse knallten aus seinem Revolver, und zwei Verbrecher fielen zu Boden; aber ein Messerstich, dem er nicht ausweichen konnte, traf ihn selbst an der Schulter.
Ayrton sah wohl ein, daß er sein Vorhaben nicht werde ausführen können. Bob Harvey hatte die Thür zur Pulverkammer wieder zugeschlagen, und im Zwischendeck entstand eine Bewegung, welche die größte Zahl der Piraten ermunterte. Jetzt galt es Ayrton, sein Leben zu schonen, um an Cyrus Smith’s Seite noch mit kämpfen zu können. Es blieb ihm also nichts übrig, als sein Heil in der Flucht zu suchen.
Ob diese noch ausführbar wäre, das war nicht vorher zu sagen, obwohl Ayrton entschlossen war, Alles daran zu setzen, um zu seinen Genossen zurück zu
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