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Die geheimnißvolle Insel

Die geheimnißvolle Insel

Titel: Die geheimnißvolle Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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auszubrechen, indem sie sich eines beliebigen Schiffes bemächtigen und mit demselben nach den polynesischen Archipelen entweichen.
    So hatten es auch Bob Harvey und seine Mitschuldigen gemacht. Dasselbe hatte Ayrton früher in Absicht gehabt. Bob Harvey hatte die Brigg Speedy zu überrumpeln gewußt, als sie vor Norfolk ankerte; die Besatzung war niedergemetzelt worden, und seit einem Jahre schon kreuzte das zum Piratenschiffe gewordene Fahrzeug auf den Fluthen des Stillen Oceanes unter dem Commando Bob Harvey’s, der, ehemals Kapitän eines Ostindienfahrers, jetzt zum Seeräuber geworden war, und den Ayrton sehr gut kannte.
    Der größte Theil der Deportirten befand sich auf dem Oberdeck im Hintertheil des Schiffes versammelt, einige aber plauderten da und dort auf dem Verdeck ziemlich laut.
    Das Gespräch, welches immer unter Geschrei und Zurufen geführt wurde, belehrte Ayrton, daß nur der Zufall den Speedy nach der Insel Lincoln verschlagen habe. Noch niemals hatte Bob Harvey den Fuß darauf gesetzt; da er aber ein noch unbekanntes Land auf seinem Wege fand, hatte er, ganz wie Cyrus Smith es geahnt, der Insel, deren Lage noch keine Karte verzeichnete, einen Besuch machen und sie im passenden Falle zum Versteckhafen der Brigg erwählen wollen.
    Die an der Mastspitze gehißte schwarze Flagge und der nach Art der Kriegsschiffe, wenn sie sich einem Hafen nähern, abgegebene Kanonenschuß lief nur auf eine reine Albernheit der Seeräuber hinaus. Jedenfalls kam beiden die Bedeutung eines Signals nicht zu, und bis jetzt bestand keinerlei Verbindung zwischen der Insel Lincoln und den Flüchtlingen aus Norfolk.
    Dem Gebiete der Ansiedler drohte also eine sehr ernsthafte Gefahr. Offenbar mußte die Insel bei ihrem Wasserreichthume, ihren kleinen Häfen, ihren von den Ansiedlern schon so rührig entwickelten Hilfsquellen und den verborgenen Höhlungen im Granithause auch den Verbrechern ausnehmend passen; in ihren Händen wäre sie zum herrlichsten Versteck geworden, und gerade ihre Unbekanntheit gewährleistete ihnen für längere Zeit eine straflose Sicherheit. Es lag auf der Hand, daß auch das Leben der Colonisten keine Schonung gefunden hätte, und daß es Bob Harvey’s und seiner Genossen erste Sorge gewesen wäre, Jene ohne Gnade niederzumetzeln. Cyrus Smith und die Seinen konnten sich nicht einmal durch die Flucht retten und sich im Innern der Insel verbergen, da die Verbrecher sich hier festsetzen zu wollen schienen, und selbst für den Fall, daß der Speedy auf Raub auslief, doch jedenfalls einige Mann von der Besatzung zurückgeblieben wären, um sich hier einzurichten. Man mußte sich also wohl oder übel zum Kampfe und zur Vernichtung dieser Elenden bis auf den letzten Mann entschließen, dieser Schurken, welche kein Mitleid verdienten und denen gegenüber jedes Mittel erlaubt erschien.
    Das waren etwa Ayrton’s Gedanken, von denen er fühlte, daß Cyrus Smith sie gewiß theilen werde.
    War aber ein Widerstand und zuletzt ein Sieg überhaupt wahrscheinlich? Das hing von der Bewaffnung der Brigg und der Anzahl Menschen ab, welche sie trug.
    Ayrton beschloß, sich hierüber um jeden Preis Aufklärung zu verschaffen, und da eine Stunde nach seiner Ankunft etwas mehr Ruhe eintrat und schon eine Menge Verbrecher in trunkenen Schlaf gefallen waren, so zögerte Ayrton keinen Augenblick, sich auf das Verdeck des Speedy zu wagen, das die Stocklaternen fast in völliger Dunkelheit ließen.
    Er schwang sich über die Brüstung und gelangte neben dem Bugspriet auf das Vorderkastell der Brigg. Lautlos glitt er durch die da und dort liegenden Schläfer um das Schiff und überzeugte sich, daß der Speedy vier acht-bis zehnpfündige Kanonen führte. Eine nähere Untersuchung belehrte ihn auch, daß es Hinterladungsgeschütze, also ganz moderne Waffen waren, die sich schnell laden lassen und von fürchterlicher Wirkung sind.
    Auf dem Verdeck selbst lagen etwa zehn Mann umher, doch mochten wohl mehr noch im Innern des Schiffes ruhen. Aus den vorher gehörten Worten glaubte Ayrton schon haben abnehmen zu können, daß ungefähr fünfzig Mann an Bord seien. Das waren freilich viel für die Ansiedler der Insel Lincoln! Dank Ayrtons kühnem Unternehmen konnte diese Anzahl Cyrus Smith dann wenigstens nicht überraschen; er mußte die Stärke seiner Gegner vorher kennen und seine Anordnungen darnach zu treffen wissen.
    Ayrton brauchte jetzt also nur zurückzukehren und seinen Genossen Bericht über das Wagniß, das er

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