Die geheimnißvolle Insel
und von bräunlichem Gefieder, zur Gattung der Stelzenläufer gehören. Top verfolgte sie, was er nur laufen konnte, aber die Casuare gewannen ihm bald einen Vorsprung ab, so außerordentlich war ihre Schnelligkeit.
Auch Fußspuren der Sträflinge begegnete man hin und wieder im Walde. Nahe einem scheinbar erst unlängst erloschenen Feuer bemerkten die Ansiedler solche Eindrücke, welche mit peinlichster Sorgfalt gemustert wurden. Durch Messung derselben nach ihrer Länge und Breite überzeugte man sich, daß diese Fußtapfen von fünf verschiedenen Menschen herrührten. Die fünf Verbrecher hatten zweifelsohne hier gelagert, aber – und das war eigentlich die Ursache dieser eingehenden Prüfung – man vermochte keinen sechsten Fußabdruck zu finden, der in diesem Falle hätte von Ayrton herrühren müssen.
»Ayrton war nicht bei ihnen! sagte Harbert.
– Nein, antwortete Pencroff, und zwar deshalb, weil die Schurken ihn umgebracht haben. Aber die Spitzbuben bewohnen, wie es scheint, keine Höhle, in der man ihnen, wie Tigerkatzen, den Garaus machen könnte.
– Nein, fiel der Reporter ein; viel wahrscheinlicher schweifen sie ziellos umher, und das werden sie fortsetzen, bis sie Gelegenheit finden, sich zu Herren der Insel aufzuwerfen.
– Zu Herren der Insel! rief der Seemann. Herren der Insel! …« wiederholte er noch einmal mit gepreßter Stimme, als stände ihm eine Dolchspitze vor der Kehle. Dann fuhr er plötzlich in ruhigem Tone fort:
»Wissen Sie, Herr Cyrus, mit welcher Kugel ich meine Flinte geladen habe?
– Nein, Pencroff.
– Mit der Kugel, welche einst durch Harbert’s Brust drang, und ich geb’ Ihnen mein Wort, diese soll ihr Ziel nicht fehlen!«
Eine solche ganz gerechte Vergeltung gab aber Ayrton das Leben auch nicht wieder, und seit der Untersuchung der Bodeneindrücke war man fast gezwungen, jede Hoffnung aufzugeben, ihn jemals wieder zu sehen.
An diesem Abend wurde das Lager etwa vierzehn Meilen vom Granithause entfernt aufgeschlagen, und schätzte Cyrus Smith die noch zurückzulegende Entfernung bis zu dem Vorgebirge auf höchstens fünf Meilen.
In der That erreichte man am folgenden Tage die äußersten Theile des Vorgebirges, und hatte also den Wald in seiner ganzen Länge durchmessen; kein Anzeichen deutete aber darauf hin, hier einen Schlupfwinkel zu finden, in dem die Verbrecher sich verborgen hielten, noch auch die nicht minder geheimnißvolle Stelle, welche dem räthselhaften Unbekannten zum Aufenthalt diente.
Zwölftes Capitel.
Durchforschung der Schlangenhalbinsel. – Nachtlager an der Mündung des Cascadenflusses. – 600 Schritte von der Hürde. – Recognoscirung durch Gedeon Spilett und Pencroff. – Ihre Rückkehr. – Alle vorwärts! – Eine offene Thür. – Ein erleuchtetes Fenster. – Beim Mondschein!
Der folgende Tag, der 18. Februar, wurde ganz und gar der Durchforschung jener bewaldeten Strecken gewidmet, die den Küstenstrich zwischen dem Schlangenvorgebirge und dem Cascadenflusse einnahmen. Die Colonisten konnten diesen nur drei bis vier Meilen breiten Wald gründlich durchsuchen. Die Bäume ließen an ihren hohen Stämmen und dem dichten Blätterwerke die vegetative Kraft der Insel erkennen, welche hier größer war, als an jedem andern Punkte. Man hätte ein Stück jungfräulichen Urwaldes, aus Amerika oder Australien in diese gemäßigte Zone verpflanzt, zu sehen geglaubt. Das führte auch zu der Annahme, daß die prächtigen Pflanzen in dem oberflächlich feuchten, im Innern aber durch vulkanische Thätigkeit erwärmten Boden eine Temperatur vorfanden, welche einem gemäßigten Klima an sich nicht zukam. Vorherrschende Species waren eben jene Kauris und Eukalypten, die so gigantische Dimensionen annehmen.
Die Colonisten verfolgten aber nicht den Zweck, pflanzliche Prachtexemplare anzustaunen. Sie wußten schon, daß die Insel nach dieser Hinsicht zu der Gruppe der Canarischen Inseln rangirte, welche zuerst den Namen »Glückliche Inseln« führten. Jetzt, ach, gehörte die Insel ihnen nicht mehr ausschließlich; noch Andere hatten von ihr Besitz genommen, Verbrecher schändeten ihren Boden, und diese mußten bis auf den letzten Mann ausgerottet werden.
An der Westküste fand man trotz aller aufgewendeten Sorgfalt keinerlei Spuren; keine Fußabdrücke, keine abgebrochenen Zweige, keine Aschenreste oder aufgelassene Lagerstätten.
»Mich verwundert das nicht, sagte Cyrus Smith zu seinen Gefährten. Die Sträflinge sind etwa bei der Seetriftspitze
Weitere Kostenlose Bücher