Die geheimnißvolle Insel
fertig in der Hand.
So gelangten sie zum Thore der Hürde, ohne daß ein Lichtstrahl das Dunkel unterbrach.
Pencroff versuchte das Thor zu öffnen, welches aber, wie sie schon vermutheten: geschlossen war. Doch überzeugte sich der Seemann, daß die äußeren Verschlußbalken desselben fehlten.
Daraus ergab sich also, daß die Sträflinge die Hürde noch besetzt hielten, und wahrscheinlich hatten sie auch das Thor von innen verwahrt, um seine gewaltsame Oeffnung möglichst zu verhindern.
Gedeon Spilett und Pencroff drückten das Ohr an die Wand.
Kein Laut im Innern der Umzäunung. Die Mouflons und die Ziegen, die jedenfalls in ihren Ställen schliefen, unterbrachen ebenso wenig die Stille der Nacht.
Da die Lauscher nichts hörten, fragten sie sich, ob sie die Palissade erklettern und in das Innere der Hürde eindringen sollten. Freilich lief das gegen die Vorschriften des Ingenieurs.
Der Versuch konnte zwar gelingen, aber ebenso gut auch fehlschlagen. Zudem, wenn die Sträflinge sich nichts versahen, und keine Kenntniß hatten von dem Anschlage gegen sie; wenn sich jetzt gerade eine Aussicht bot, sie zu überraschen, durften sie diese Chance dadurch auf’s Spiel setzen, daß sie die Palissade voreilig überstiegen?
Der Reporter verneinte diese Frage. Er hielt es für gerathener zu warten, bis sie mit vereinten Kräften in die Hürde dringen könnten. Gewiß vermochte man ungesehen bis an die Umzäunung heran zu schleichen, und war diese selbst für jetzt unbewacht. Hiernach hatten sie also nichts Anderes zu thun, als mit diesen Nachrichten nach dem Wagen zurückzukehren.
Pencroff theilte wahrscheinlich diese Ansicht, denn er machte keine Schwierigkeiten, dem Reporter zu folgen, als dieser unter den Bäumen verschwand.
Einige Minuten später war der Ingenieur von der Sachlage unterrichtet.
»Gut, sagte er nach kurzem Besinnen, jetzt habe ich Ursache zu glauben, daß die Sträflinge gar nicht in der Hürde sind.
– Das werden wir sofort wissen, antwortete Pencroff, wenn wir die Pfahlwand übersteigen.
– Also auf zur Hürde! sagte Cyrus Smith.
– Den Wagen lassen wir hier im Walde stehen? frug Nab.
– Nein, erwiderte der Ingenieur; er ist unser Munitions-und Lebensmittelmagazin, und kann uns im Nothfall als Deckung dienen.
– Vorwärts denn!« trieb Gedeon Spilett.
Der Wagen rollte geräuschlos aus dem Walde nach der Palissade zu. Es was jetzt tiefdunkel und ebenso still wie vorher, als Pencroff und der Reporter sich wieder weggeschlichen hatten. Das dichte Gras erstickte jeden Schall der Tritte.
Die Colonisten hielten sich zum Schießen bereit. Jup mußte unter Pencroff’s Leitung zurückbleiben, und Nab führte Top, um diesen nicht vorausspringen zu lassen.
Die Lichtung ward sichtbar; sie war verlassen. Ohne Zögern begab sich die kleine Truppe nach der Umzäunung. In kurzer Zeit wurde die gefährliche Zone überschritten, ohne einen Schuß abzugeben. An der Palissade angelangt, ließ man den Wagen stehen. Nab blieb bei den Quaggas, um diese am Zügel zu halten. Der Ingenieur, der Reporter, Harbert und Pencroff begaben sich nach dem Thore, um zu sehen, ob dasselbe von innen verbarrikadirt wäre …
Einer der Flügel stand offen!
»Wie stimmt das zu Eurer Aussage?« fragte der Ingenieur, sich zum Seemann und Gedeon Spilett zurück wendend.
Beide sahen erstaunt einander an.
»Bei meiner Seligkeit, sagte Pencroff, dies Thor war vorhin noch verschlossen!«
Die Colonisten wichen einen Schritt zurück. Befanden sich die Sträflinge also dennoch in der Hürde, als Pencroff und der Reporter hier auf Kundschaft aus waren? Es schien unzweifelhaft, da die vorher geschlossene Thür nur durch sie geöffnet sein konnte. Waren sie noch darin, und vielleicht nur Einer von ihnen heraus gegangen?
Alle diese Fragen tauchten wohl urplötzlich vor Jedem auf; allein wie sollten sie beantwortet werden?
In diesem Augenblick eilte Harbert nach einigen Schritten in das Innere der Hürde schnell zurück und ergriff die Hand des Ingenieurs.
»Was giebt es? fragte Cyrus Smith.
– Ein Licht!
– Im Hause?
– Ja!«
Alle Fünf drängten sich durch das Thor und sahen an den Scheiben des ihnen gegenüber liegenden Fensters einen schwachen Lichtschein zittern.
Cyrus Smith faßte einen schnellen Entschluß.
»Das ist eine günstige Chance, sagte er, die Sträflinge im Hause, und scheinbar keinen Angriff fürchtend, anzutreffen! Nun sind sie unser! Vorwärts!«
Die Colonisten schritten vorsichtig mit halb
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