Die geheimnißvolle Insel
fehlen.
– Das wohl nicht, bemerkte der Reporter, wenn uns nur die Nahrungsmittel selbst, in Folge Mangels an Jagdgeräthen, nicht ausgehen.
– Wenn wir nur wenigstens ein Messer besäßen, rief der Seemann.
– Nun dann? fragte Cyrus Smith.
– Dann hätte ich schnellstens einen Bogen und Pfeile angefertigt und unsere Speisekammer reichlich gefüllt.
– Ja wohl … ein Messer … eine schneidende Klinge …!« sagte der Ingenieur mehr zu sich selbst.
Da trafen seine Blicke Top, der am Ufer hin und her lief.
Plötzlich leuchteten Cyrus Smith’s Augen auf.
»Top, hier!« rief er.
Der Hund gehorchte dem Zurufe seines Herrn. Dieser nahm Tops Kopf zwischen die Knie, löste ihm das Halsband ab und zerbrach dasselbe in zwei Stücke.
»Da sind zwei Messer, Pencroff.«
Zwei Hurrahs des Seemanns erschallten als Antwort. Tops Halsband bestand nämlich aus einem dünnen Streifen von gehärtetem Stahle. Man brauchte die Stücke nur auf einem groben Sandstein zu schleifen und den entstandenen Grath an der Schneide durch einen feinkörnigeren Stein weg zu nehmen. Sandsteinfelsen gab es nun genügend, und zwei Stunden später bestanden die Werkzeuge der Colonie aus zwei schneidenden Klingen, welche leicht in einem Hefte handgerecht befestigt waren.
Diese Errungenschaft, das erste Werkzeug, wurde als Triumph begrüßt; eine Errungenschaft, die auch wirklich sehr gelegen kam.
Man brach auf. Cyrus Smith beabsichtigte nach der Westseite des Sees an die Stelle zurückzukehren, wo sich Tags vorher das Thonerdelager, von dem er eine Probe mitgenommen, gezeigt hatte. Längs des Ufers der Mercy, nach dem Plateau der Freien Umschau hinziehend, erreichte man nach einem Wege von höchstens fünf Meilen eine zweihundert Schritte vom Grants-See entfernte Lichtung.
Unterwegs hatte Harbert einen Baum entdeckt, aus dessen Zweigen die Indianer Nordamerikas ihre Bögen herzustellen pflegen, den »Erejimba«, der zu einer Palmenfamilie ohne eßbare Früchte gehört. Man schnitt von diesem lange, gerade Zweige ab, entblätterte dieselben und schnitzte sie in der Weise zu, daß sie in der Mitte am stärksten blieben. Jetzt bedurfte man also nur noch einer Pflanze, welche passende Sehnen an die Bögen lieferte. Diese fand man in einer Malvenart, dem »
Hibiscus heterophyllus
«, dessen zähe, dauerhafte Fasern eine thierische Sehne im Nothfalle zu ersetzen vermögen. Nun hatte wohl Pencroff seinen kräftigen Bogen, noch fehlten ihm aber die Pfeile dazu. Ließen sich diese auch aus kleineren, dünnen und astfreien Zweigen unschwer herstellen, so veranlaßte doch die nothwendige Ausrüstung der Spitze mit einer Substanz, die das Eisen zu ersetzen im Stande war, weit mehr Kopfzerbrechen. Doch sagte sich Pencroff endlich, daß, nachdem er das Seinige gethan, der Zufall ihm schon zu Hilfe kommen werde.
Die ersten Ziegelsteine. (S. 136.)
Die Colonisten waren auf dem am vergangenen Tage untersuchten Terrain angekommen. Dieses bestand aus einer Thonerde, wie sie zu Backsteinen und Ziegeln verwendet wird, und welche ihren Zwecken demnach vollkommen entsprach. Besondere Schwierigkeiten stellten sich nicht entgegen. Der Thon wurde nur mittels Sand etwas entfettet, dann formte man Mauersteine daraus, um diese bei Holzfeuer zu brennen.
Selbsterzeugte Töpferwaare. (S. 140.)
Gewöhnlich werden die Backsteine zwar in Formen gedrückt, der Ingenieur begnügte sich jedoch mit ihrer Herstellung aus freier Hand. Zwei volle Tag verwendete man auf diese Arbeit. Der angefeuchtete Thon wurde mit Hände und Füßen durchgeknetet, und dann in Prismen von gleicher Größe getheilt Ein geübter Arbeiter vermag ohne Maschine in Zeit von zwölf Stunden bis 10,000 Stück Backsteine herzustellen; die fünf Ziegelstreicher der Insel Lincoln hatten freilich in zwei Arbeitstagen nur etwa 3000 angefertigt, welche reihenweise aufgestellt wurden, bis sie in drei bis vier Tagen vollkommen ausgetrocknet und damit zum Brennen geeignet wurden.
Am 2. April war es, als Cyrus Smith die Orientation der Insel näher feststellte. Am Tage vorher hatte er mit Berücksichtigung der Strahlenbrechung die Zeit, um welche die Sonne unter dem Horizonte verschwand, genau aufgezeichnet. An diesem Morgen beobachtete er den Aufgang derselben mit der nämlichen Aufmerksamkeit. Zwischen diesem Unter-und Aufgange lagen elf Stunden sechzehn Minuten, so daß die Sonne sechs Stunden zweiundzwanzig Minuten nach ihrem Aufgange den Meridian des Ortes passiren und für denselben
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