Die geheimnißvolle Insel
genau im Norden stehen mußte. 1
Zur erwähnten Zeit beobachtete Cyrus Smith jenen Punkt am Himmel, und wählte zwei in derselben Richtung liegende Bäume aus, die ihm demnach für spätere Aufnahmen eine unveränderliche Mittagslinie bildeten.
Während der beiden Tage vor dem Brennen der Mauersteine beschaffte man sich die nöthigen Holzvorräthe. In der Umgebung schnitt man Aeste von den Bäumen und sammelte alles umherliegende Holz. Es versteht sich, daß die Jagd dabei nicht vollständig vernachlässigt wurde, zumal da Pencroff jetzt wohl ein Dutzend Pfeile mit sehr scharfen Spitzen besaß. Diese verdankte man Top, der ein Stachelschwein eingefangen hatte, das als Wild zwar nur von untergeordnetem Werthe, wegen der spitzen Stacheln aber, mit denen es bedeckt ist, in diesem Falle doch eine hochwillkommene Beute bildete. Mit jenen rüstete man nun die Spitzen der Pfeile aus, während ihre Fluglinie durch Kakadufederfahnen gesichert wurde. Der Reporter und Harbert zeichneten sich bald als geschickte Bogenschützen aus. An Wild, z.B. an Wasserschweinen, Tauben, Agutis, Auerhähnen u.s.w., war in der Nachbarschaft Ueberfluß. Den größten Theil dieser Thiere erlegte man in dem Walde neben dem linken Ufer der Mercy, dem man den Namen des »Jacamar-Waldes« beilegte, unter Beziehung auf die Vögel, welche Harbert und Pencroff bei ihrem ersten Ausfluge dahin verfolgt hatten.
Das meiste Wild verzehrte man zwar frisch, conservirte dagegen die Cabiai- (Wasserschwein-)Keulen und räucherte diese mit grünem Holze, nachdem sie in aromatische Blätter gehüllt kurze Zeit gelegen hatten. Diese zwar sehr kräftigende Nahrung, welche nur aus Braten und wieder Braten bestand, ließ doch allmälig den Wunsch aufkommen, auf dem Herde einmal einen Suppentopf brodeln zu hören. Dazu mußte man freilich einen Topf besitzen und folglich den Bau des Brennofens abwarten.
Gelegentlich dieser Excursionen, die nur in einem beschränkten Kreise um die Ziegelei herum stattfanden, bemerkten die Jäger dann und wann ziemlich frische Spuren größerer Thiere. Cyrus Smith empfahl ihnen deshalb die äußerste Vorsicht, denn die Wahrscheinlichkeit lag sehr nahe, daß das Gehölz einige gefährliche Raubthiere bergen könne.
Wie berechtigt diese Mahnung war, sollte man bald erfahren. Gedeon Spilett und Harbert sahen eines Tages ein Thier, das dem Jaguar sehr ähnlich erschien. Zum Glücke griff es sie nicht an, da sie ohne ernstliche Verletzung wohl nicht davon gekommen wären. Hätte der Reporter nur eine ordentliche Waffe besessen, d.h. ein Gewehr, wie es Pencroff verlangte, so gelobte er sich, gegen die Raubthiere den erbittertsten Krieg zu führen, und die Insel bald von dem Gesindel zu säubern.
An eine wohnlichere Einrichtung der Kamine dachte man jetzt gar nicht mehr, denn der Ingenieur hoffte in allernächster Zeit eine bequemere Wohnung zu entdecken oder zu erbauen.
Man begnügte sich, die Lagerstätten auf dem Sande mit frischen Schichten weichen Mooses und trockener Blätter zu bedecken, und auf diesen etwas urwüchsigen Matratzen genossen die ermüdeten Arbeiter einen trefflichen Schlaf.
Nun bekümmerte man sich auch um die Anzahl der seit der Ankunft auf der Insel verflossenen Tage, und führte eine exacte Zeitrechnung ein. Am 5. April, Mittwochs, waren zwölf Tage verflossen, seit der Sturm die Schiffbrüchigen auf die Insel geschleudert hatte.
Am 6. April versammelten sich der Ingenieur und seine Gefährten mit Tagesanbruch in der Waldblöße an der Stelle, wo das Brennen der Ziegel vor sich gehen sollte, natürlich unter freiem Himmel und nicht in geschlossenen Oefen, vielmehr bildeten die zusammengesetzten Backsteine einen Ofen, der sich eben selbst brennen sollte. Das aus Reisigbündeln bestehende Brennmaterial wurde auf geeignete Art und Weise ausgebreitet, mit mehreren Reihen lufttrockener Backsteine umgeben, welche bald einen großen Würfel bildeten, in dessen Seiten die nöthigen Zuglöcher ausgespart blieben. Diese Arbeit nahm den ganzen Tag in Anspruch und erst am Abend zündete man die Holzbündel an.
Niemand legte sich die Nacht über nieder, sondern Alle suchten das Feuer gut in Brand zu erhalten.
Der Brennproceß währte achtundvierzig Stunden lang und erwies sich als vollkommen gelungen. Da man das Auskühlen der rauchenden Masse abwarten mußte, so schafften Nab und Pencroff unter Cyrus Smiths Leitung inzwischen auf einer aus verbundenen Aesten gebildeten Schleife mehrere Ladungen kohlensauren Kalkgesteins
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