Die geheimnißvolle Insel
Millionen! rief Pencroff.
– Drei Millionen.
– In vier Jahren?
– In vier Jahren, antwortete Cyrus Smith; ja vielleicht sogar in zwei Jahren, wenn wir, wie ich es unter dieser Breite hoffe, in einem Jahre zwei Ernten zu erzielen vermögen.«
Seiner beliebten Gewohnheit nach hatte Pencroff hierauf keine andere Erwiderung, als ein kräftig schallendes Hurrah!
»Du hast also, fügte der Ingenieur zu Harbert gewendet hinzu, hier einen für uns hochwichtigen Fund gethan. In unserer Lage, meine Freunde, kann uns Alles und Jedes von Nutzen sein, ich bitte, vergeßt das nun und nimmermehr!
– Nein, Mr. Cyrus, nein, das vergessen wir nicht, fiel Pencroff wieder ein, und wenn ich jemals ein einziges Samenkorn vom Tabak finde, das einen 360,000 fachen Ertrag verspricht, so versichere ich Ihnen, daß ich es nicht leichtsinnig wegwerfen werde. Doch jetzt, was haben wir zunächst zu thun?
– Wir brauchen nur das Korn zu pflanzen, antwortete Harbert.
– Gewiß, fiel Gedeon Spilett ein, und zwar mit aller ihm gebührenden Achtung, denn es trägt unsere zukünftige Ernte in sich.
– Wenn es überhaupt jemals aufgeht! rief der Seemann.
– Das wird es gewiß!« erwiderte Cyrus Smith.
Es war jetzt der 20. Juni, das heißt eine zur Aussaat vorzüglich geeignete Zeit. Zuerst wollte man das kostbare, einzige Samenkorn in einem Topfe anpflanzen, nach reiferer Ueberlegung aber entschied man sich dafür, es frei der Natur zu überlassen und der Erde zu übergeben. Das geschah denn noch an dem nämlichen Tage und selbstverständlich unter Beachtung aller Vorsichtsmaßregeln für das Gelingen.
Das Wetter war etwas heller geworden. Die Colonisten erstiegen die Anhöhe über dem Granithause. Dort wählten sie einen gegen den Wind möglichst geschützten Standort auf dem Plateau, der der Mittagssonne frei ausgesetzt lag. Die Stelle wurde gereinigt, umgegraben, ja, gänzlich durchwühlt, um Insecten oder Würmer daraus zu entfernen. Dann bedeckte man sie mit einer Schicht guter, mit ein wenig Kalk vermischter Gartenerde, errichtete einen Zaun rund herum, und feierlich wurde das Samenkorn seinem feuchten Lager übergeben.
Schien es nicht, als ob die Colonisten den Grundstein zu einem neuen Gebäude legten? Jedenfalls erinnerte es Pencroff an den Tag, wo er das unzige Zündhölzchen anzustreichen versucht hatte, und doch war der heutige Vorgang weit ernsterer Natur. Feuer hätten die Schiffbrüchigen auf die eine oder die andere Weise doch einmal bekommen, aber keine menschliche Macht war im Stande, dieses Samenkorn zu ersetzen, wenn es nicht gedeihen sollte!
Einundzwanzigstes Capitel.
Einige Grade unter Null. – Untersuchung der Sumpfstrecken im Südosten. – Eine Art Füchse. – Ansicht des Meeres. – Ein Gespräch über die Zukunft des Pacifischen Oceans. – Die Arbeit der Infusorien. – Was einmal aus der Erde wird. – Die Jagd. – Der Fuchsenten-Sumpf.
Von nun an verging kein Tag, an dem Pencroff seinem »Weizenfelde«, wie er es gern nannte, einen Besuch abstattete, und wehe den Insecten, die er in seiner Nähe fand, – sie hatten kein Erbarmen zu erwarten.
Gegen Ende des Monats Juni schlug die Witterung nach wahrhaft endlosem Regen zur Kälte um, und am 29. hätte ein Thermometer wohl sechs bis sieben Grad unter Null gezeigt.
Der nächste Tag, der 30. Juni, der also dem 31. December der nördlichen Hemisphäre entspricht, war ein Freitag. Nab bemerkte, daß das Jahr mit einem Zuglückstage aufhöre, wogegen ihm Pencroff erwiderte, daß das nächste also mit einem desto besseren anfangen müsse, was doch wohl noch mehr werth sei.
Auf jeden Fall fing das neue Jahr, wenn man hier überhaupt von einem solchen reden kann, mit einer recht heftigen Kälte an. Bald häuften sich Eisschollen an der Mündung der Mercy an und erstarrte die ganze Oberfläche des Sees.
Der Vorrath an Brennmaterial mußte mehrfach erneuert werden. Klugerweise hatte Pencroff nicht bis zum vollkommenen Gefrieren des Flusses gewartet, umfänglichere Holzladungen nach ihrem Bestimmungsorte zu führen. Die Strömung, der unermüdliche Helfer, wurde tagtäglich benutzt, Holz zu flößen, bis es die strengere Kälte verhinderte. Zu dem reichlichen aus dem Walde bezogenen Brennmaterial fügte man auch noch einige Ladungen Steinkohlen aus dem Lager am Fuße des Franklin-Berges. Die starke Heizkraft der Kohlen lernte man erst recht schätzen, als die Temperatur am 4. Juli etwa auf
minus
zwölf bis dreizehn Grad Celsius herabsank. Man versah deshalb
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