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Die geheimnißvolle Insel

Die geheimnißvolle Insel

Titel: Die geheimnißvolle Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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vier Meilen im Südosten erstreckte sich das Krallen-Cap, wie ein Yatagan gekrümmt, weit sichtbar in’s Weite. Gewiß, in diesem Theile der Union-Bai, welche Nichts gegen die offene See schützte, nicht einmal eine Sandbank, hätten vom Ostwind verschlagene Schiffe keinerlei Schutz gefunden. An der Stille dieses Wassers, seiner gleichmäßigen, von keiner gelblichen Nuance unterbrochenen Farbe, an dem Fehlen jeden Risses merkte man, daß diese Küste steil abfiel und der Ocean ungemessene Abgründe bedecken mochte. Rückwärts im Westen erhoben sich, doch in einer Entfernung von gegen vier Meilen, die ersten Baumlinien der Wälder des fernen Westens. Man hätte aber im Ganzen eher auf einer verlassenen Insel der Polargegend zu sein geglaubt, die vom Eise umschlossen wäre.
    Die Colonisten machten Halt, um zu frühstücken. Aus Zweigen und trockenen Varecbüscheln wurde ein Feuer angezündet, und Nab legte kaltes Fleisch vor, dem er einige Tassen Oswego-Thee hinzufügte.
    Während des Essens ließ man die Blicke umherschweifen. Dieser Theil der Insel Lincoln erschien vollkommen unfruchtbar und stach von dem westlichen ganz auffallend ab. Den Reporter verführte diese Beobachtung zu der Bemerkung, daß sie einen sehr traurigen Eindruck von ihrem zukünftigen Wohnsitz erhalten haben würden, wenn der Zufall sie als Schiffbrüchige auf diesen Küstenstrich geworfen hätte.
    »Ich glaube sogar, daß wir ihn nicht einmal hätten erreichen können, denn das Meer ist hier sehr tief und bietet kaum einen Felsen als nothdürftigste Zuflucht. Vor dem Granithause befanden sich doch Sandbänke und ein Eiland, welche mehr Gelegenheit zur Rettung boten. Hier ist nichts als die Tiefe des Meeres.
    – Es ist sehr sonderbar, fügte Gedeon Spilett hinzu, daß die verhältnißmäßig kleine Insel einen so verschiedenartigen Boden aufweist. Gewöhnlich trifft man das doch nur bei Continenten von großer Ausdehnung. Man möchte sagen, daß die so reiche und fruchtbare westliche Seite der Insel Lincoln von den warmen Fluthen des Mexikanischen Golfs bespült werde, während seine nördliche und südliche Küste bis an ein arktisches Meer reichen.
    – Sie haben Recht, lieber Cyrus, dieselbe Bemerkung habe ich auch gemacht. Mir erscheint diese Insel ihrer Form und ihrer Natur nach ebenso sonderbar. Man möchte sie eine Musterkarte der verschiedenen Bilder nennen, die ein Continent liefert, und ich finde es gar nicht so unmöglich, daß sie früher einmal zu einem solchen gehört habe.
    – Wie? Ein Continent mitten im Stillen Weltmeere? rief Pencroff.
    – Warum nicht? antwortete Cyrus Smith. Warum sollten nicht alle diese pacifischen Archipele, welche die Geographen Australasien nennen, vor Zeiten einen sechsten Erdtheil, so groß wie Europa oder irgend ein anderer, dargestellt haben? Mir ist es nicht so unwahrscheinlich, daß alle diese über den ungeheuren Ocean verstreuten Inseln nur die höchsten Punkte eines nun versunkenen Continentes sind, der in vorhistorischen Zeiten über das Wasser emporragte.
    – Und die Insel Lincoln wäre ein Theil desselben? fragte Pencroff.
    – Sehr wahrscheinlich, erwiderte Cyrus Smith, das würde die Verschiedenheit ihrer Producte am einfachsten erklären.
    – Und ebenso die große Anzahl Thiere, die sie jetzt bewohnt, fügte Harbert hinzu.
    – Gewiß, mein Sohn, bestätigte der Ingenieur; übrigens lieferst Du mir hierdurch einen neuen Beweis meiner Ansicht. Unzweifelhaft ist, wie wir uns schon überzeugt haben, die große Anzahl der Thiere; viel auffallender erscheint aber noch die große Verschiedenheit der Arten. Hierfür bietet sich nur die eine Erklärung, daß die Insel Lincoln einst ein Bestandtheil eines ausgedehnten Continentes gewesen ist, der nach und nach versank.
    – Dann könnte also eines schönen Tages, bemerkte Pencroff, der noch nicht völlig überzeugt schien, der Rest dieses alten Continentes auch noch in’s Meer versinken, und zwischen Amerika und Asien läge dann gar nichts mehr?
    – Dafür, erwiderte Cyrus Smith, wird es dann neue Continente geben, an welchen Milliarden von Milliarden kleiner Thiere jetzt schon bauen.
    – Und wer sind wohl diese Maurer? fragte Pencroff.
    – Die Korallenthierchen, belehrte ihn der Ingenieur. Sie waren es, welche durch unausgesetzte Thätigkeit z.B. die Insel Clermont aufgeschichtet haben, ebenso wie viele andere Koralleninseln des Pacifischen Oceans. Erst 47,000,000 solcher Infusorien wiegen einen Gran ( = 5,9 Milligramme), und doch

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