Die geheimnisvollen Pergamente
Ich kann nur hoffen, dass ihr die Schrift entziffern konntet.«
Uthman und Joshua fingen an, zu lachen. Joshua suchte die Pergamentstücke unter einem Stapel anderer Blätter hervor.
Uthman sagte: »Wir konnten deine drei Rätsel lesen und ihre Bedeutung entschlüsseln. Der Koran, die Thora und die christlichen Evangelien. Sie sagen mit verschiedenen Worten alle das Gleiche.«
Suleiman nickte eifrig und beteuerte: »Sie sagen uns, dass es in Wirklichkeit nur einen Gott gibt. Nicht drei Götter. Gott hat Abrahams oder Ibrahims Religion gestiftet, und auf diese Auslegung können sich alle Juden, Muslime und Christen einigen – so wie ihr.«
»Wir haben uns wegen der Schriften nicht gestritten«, sagte Henri. »Wir werden uns deswegen auch nicht streiten. Den Koranvers, aus dem wir die Spaltung hätten herauslesen können, haben wir schließlich so verstanden, dass es drei Namen für einen Gott gibt. Auch wenn viele Gelehrte anderes gepredigt und geschrieben haben.«
Suleiman hob die Hand wie zum Schwur.
»Jeder Vers sagt dem wahren Gläubigen nur eines: nämlich, dass derjenige, der liest, entweder das Trennende und Spaltende oder das Gemeinsame darin erkennt. Ihr drei habt das Gemeinsame erkannt und lebt danach.«
»So kann man es auch ausdrücken«, sagte Sean.
»Für dich, Suleiman, gibt es nur einen Gott, deshalb hast du geschrieben: ›Sage nicht drei.‹ Was willst du wirklich? Was ist dein Ziel?«
Suleiman senkte seine Stimme und flüsterte im Tonfall eines Verschwörers: »Jeder, der euch kennt, hier oder anderswo, spricht – nein: flüstert – über euch. Über euch und darüber, dass es zwischen den Religionen Frieden geben kann, wie Frieden und Freundschaft zwischen euch sind.«
Nachdem Uthman staunend die schwierigsten Begriffe und Wendungen übersetzt hatte, breitete sich auch unter den Freunden leises Unverständnis aus.
»Du sagst, dass viele Menschen sich an unserer Freundschaft ein Beispiel nehmen? Daran, dass wir trotz unserer unterschiedlichen Religionen zusammenhalten.«
»Und dies alles seit langer Zeit!«, rief Suleiman unterdrückt. »Ihr seid Hoffnungsträger für den Frieden. Aber zugleich stellt ihr auch eine Gefahr dar.«
»Eine Gefahr? Für wen?« Sean runzelte die Stirn. Er blieb verwirrt und misstrauisch. Der junge Mann, der ihm den Stein in den Rücken geschleudert hatte… sprach er die Wahrheit?
»Für mich seid ihr der Beweis für die Möglichkeit eines friedlichen Zusammenlebens«, wiederholte Suleiman. »Ihr verkörpert den Weg, den ich gehen will. Glaubt mir, ich habe meine Gründe dafür.«
»Noch einmal«, unterbrach Sean. »Für wen stellen wir eine Gefahr dar?«
»Für reiche Männer, die durch die Fortsetzung der Kämpfe und Kriege noch reicher und mächtiger werden wollen.« Suleiman hob die Finger wie zum Schwur. »Ich weiß genau, von wem ich rede. Er hat dich entführen lassen, damit deine Freunde deinetwegen zu den Waffen greifen.«
»Und aus einem kleinen Kampf wird irgendwann wieder ein Krieg. Christen gegen Muslime. Christen gegen Juden.« Henri senkte den Kopf. »Solche Männer gibt es immer wieder und überall.«
»Und wie willst du uns beweisen, dass du es ernst meinst?«, fragte Uthman und richtete seinen Blick auf den jungen Araber.
Suleiman stand auf, breitete die Arme mit einer Geste der Hilflosigkeit aus und antwortete stockend. »Ich… ich liebe eine… Christin.«
Henri und Joshua wechselten einen langen, erstaunten Blick.
Henri fragte: »Und liebt sie dich auch?«
»Wir haben uns ewige Liebe und Treue geschworen!« Suleimans Augen begannen zu strahlen.
»Bei Allah oder beim Gott der Christen?«
»Bei beiden. Mit Gebeten und mit tausend Schwüren.« Suleiman war aufgeregt und setzte sich wieder. Er schlug die Hände vor sein Gesicht und stöhnte auf.
»Was hast du? Hat dich, Allah soll dich schützen, die Leidenschaft übermannt?«, erkundigte sich Uthman mitfühlend.
Suleiman schüttelte heftig den Kopf und stieß hervor: »Aber es ist alles so schwer. Mein Vater würde mich erdrosseln lassen, wenn er wüsste, dass ich eine Christin liebe. Ah! Sie ist schöner als die Mondsichel. Sie hat…«
»Sie ist ohne Zweifel die Schönste im Land von Al Quds.« Joshua drehte seinen Stuhl halb herum und richtete das Wort an den jungen Araber. »Wir, die Freunde, die du so bewunderst, sind in einem Alter, in dem jeder Kampf uns den Tod bringen kann. Wir brauchen junge Männer, die mit Mut und Entschlossenheit fortsetzen, was wir begonnen
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