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Die geheimnisvollen Pergamente

Die geheimnisvollen Pergamente

Titel: Die geheimnisvollen Pergamente Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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gerade vor sich ausgestreckt und steckte es in einen anderen Korb zurück. Ein zweites Schwert ließ er in der Sonne funkeln, die mühsam den Rauch und die Staubwirbel, die Dampfwolken und den ständigen Regen aus Rußflocken durchdrang.
    »Ich habe mit dir zu reden, Abu Lahab Effendi«, brüllte Abdullah.
    Beim dritten Ruf machte ein Arbeiter den Herrn der Schwertschmiede auf Abdullah aufmerksam. Er winkte und deutete auf den Eingang des uralten Gebäudes mit dem Schilfdach. Beide Männer trafen sich unter dem Vordach und fassten einander an den Handgelenken.
    »Nun? Sind die Ungläubigen vertrieben? Weißt du, wo die schöne Christin wohnt?«, fragte Abu Lahab aufgeregt. »Komm mit in meinen ruhigen Keller. Kann ich dir Wein anbieten?«
    »Du wirst ihn brauchen, mein Herr«, wich Abdullah vorsichtig aus. »Und mir wird er gut tun.«
    Abdullah schob den schweren Ledervorhang zur Seite und folgte Abu Lahab die dunklen Stufen hinunter in das uralte römische Gewölbe. Eine einzige Öllampe, kurz vor dem Verlöschen, kämpfte gegen die muffige, aber kühle Dunkelheit. Abu Lahab und, nach einigem Überlegen, auch Abdullah zündeten an der kleinen Flamme eine Handvoll Kerzen an und setzten sich. Abu Lahab füllte zwei große Schalen mit Wein.
    »Meine vielen Drachmen haben die Ungläubigen hinweggefegt wie in einen Sturm, den Allah geschickt hat?«, wollte er wissen.
    Abdullah nippte am Wein und fasste nach der kleinen goldenen Kugel in seinem Ohrläppchen. Der Wein war kurz davor, zu Essig zu werden; er war gerade noch trinkbar. Dann schüttelte der oberste Wächter den Kopf und antwortete: »Allah hat weder Gewitter noch Wolken oder Sturm geschickt. Vielmehr schickte er einen kreischenden Eiferer, der die kostspielige Meute im Nu vertrieb.«
    Er senkte den Blick, musterte seine Knie und lauschte, ohne die Miene zu verziehen, den Flüchen seines Herrn.
    Als Abu Lahab geendet und seine Schale halb leer getrunken hatte, wagte Abdullah wieder, ihn anzusehen und zu erwidern: »Alles war zufriedenstellend. Der halbe Basar und viele kleine Händler, Tagelöhner, Eseltreiber und anderes Stadtvolk hatten sich vor dem Haus versammelt. Sie kamen einzeln oder in Gruppen. Ich habe dreißig Fackeln gekauft und verteilt. Jeder Mann wusste, was er zu tun hatte. Sie schrien wild, warfen Steine, schwangen drohend die Fäuste, und als ich sicher war, dass die Ungläubigen nun das Haus verlassen, um sich zu verteidigen, da geschah etwas ganz Unglaubliches.«
    »Sag’s mir schon! Was geschah dann?«
    Abu Lahabs Gesicht war fahlgrau geworden, was trotz der schlechten Beleuchtung deutlich zu erkennen war. Sein Bart schien sich zu sträuben wie das Fell eines geschächteten Widders. Abdullah fürchtete sich ernsthaft, weiterzusprechen.
    »Es war laut und bedrohlich. Sie schrien und warfen mit Steinen und faulem Obst. Als sie schließlich von den eigenen Steinen getroffen wurden, wurden sie richtig wütend! Aber dann! Am anderen Ende dieser Gasse, Allah lasse Feuer auf sie regnen, erschien ein junger Mann, ein Rechtgläubiger wie wir. Mit lauter Stimme sprach er vom Frieden, vom Herrn, der die Unduldsamen straft, der jeden, der wegen Geld kämpft, verdammt. Er entriss jemandem die Fackel, schwang sie und vertrieb die Menge mit dem Feuer. Sie haben mich fast umgeworfen und niedergetrampelt.«
    Abu Lahab stierte ihn schweigend an. Seine beringten Finger wühlten im Bart, zwirbelten die Bartspitzen und fielen schließlich kraftlos herunter.
    »Wer war dieser Fackelschwinger?«
    »Es war dunkel, Effendi, und ich habe ihn nicht richtig erkannt.« Abdullah zog den Kopf zwischen die Schultern. »Allah ist mein Zeuge. Er sah aus wie dein Sohn, aber so, wie im Dunkel alle Katzen von einer unbestimmbaren Farbe sind, so ähneln alle jungen Söhne reicher Väter einander. Wie ein Ei dem anderen.«
    »Reden wir hier über Hühner oder deinen Misserfolg, Abdullah?«, fuhr Abu Lahab auf.
    »Wir reden über… alles. Über einen Traum, der wahr werden wird. Dein Traum, Abu Lahab. An diesem Abend ist er noch nicht wahr geworden.«
    »Also reden wir über den Verlust meiner Drachmen und deinen Misserfolg. Und was ist dann geschehen?«
    Abdullah breitete halb schuldbewusst die Arme aus und richtete seinen Blick auf den Weinkrug. »Es mag sein, dass ich und meine Männer diesen Störenfried finden. Dann bringen wir ihn zu dir. Es mag auch sein, dass wir deinen Sohn ertappen, wenn er zu seiner Christin schleicht. Wenn du es befiehlst, schicke ich meine besten

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