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Die geheimnisvollen Pergamente

Die geheimnisvollen Pergamente

Titel: Die geheimnisvollen Pergamente Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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laut, während er sich mit einem Sprung von Sean löste, sagte der Araber: »Warum sollte ich dich töten? Du bist mein Bruder.«
    Abermals glaubte Sean, nicht richtig verstanden zu haben. Er drehte sich, ohne nachzudenken, halb herum und hob abwehrend die Hand.
    »Was hat er gesagt, Uthman?«, stotterte er.
    Uthmans halb geschlossene Augen musterten den jungen Muslim, dann Sean, schließlich schaute er auf den Boden und antwortete bedächtig: »Er nannte dich seinen Bruder. Er hätte dich verletzen oder töten können.«
    »Das weiß ich«, antwortete Sean, starrte fassungslos den Araber an und bückte sich dann, um seinen Dolch aufzuheben. Als er ihn in die Scheide zurückgesteckt hatte, sagte er zu seinem Gegner: »Mein Name ist Sean, Sean of Ardchatten. Und wer bist du?«
    »Nenn mich Suleiman.«
    »Suleiman, Sohn des Namenlosen?«
    Der Araber breitete die Arme aus.
    »Später. Mein wirklicher Name tut nichts zur Sache.«
    »Du hast die Steine mit den Pergamenten geworfen? Hast du auch die Pergamente beschrieben? Warum hast du das getan?«, fragte Uthman.
    »Im Namen Allahs – ja, ich habe euch die Botschaften zukommen lassen, die ich auch selbst geschrieben habe. Ich kenne die Bücher und die wichtigsten Suren und Kapitel daraus. Bringt mich zu euren Freunden. Ich habe euch etwas Wichtiges zu sagen.«
    »Willst du Hetzreden gegen den Glauben der Christen und Juden führen? Willst du uns auf die Probe stellen? Oder welche sonstigen dümmlichen Ideen hat dein allzu jugendlicher Verstand hervorgebracht?« Uthmans Miene blieb starr, und seine Stimme ließ erkennen, dass sein Misstrauen keineswegs entkräftet war. Obwohl Sean nicht alles verstand, begriff er, dass sein Freund von dem, was er sah und hörte, wenig begeistert war.
    »Ich werde euch erklären, was ich vorhabe«, sagte Suleiman und winkte. »Gehen wir zu euch, ins Haus al-Mustansirs, das ich kenne, seit ich ein kleiner Junge war.«
    »Inshallah«, murmelte Uthman. »Einer, der meinen Vater kannte! Also – gehen wir zu Henri und Joshua.«
    »Bei Allah, es gibt keinen Grund, mir zu misstrauen. Ich meine es ehrlich. Hört mich an, dann könnt ihr entscheiden.« Suleiman zeigte in Richtung der Türme, die das Jüdische Viertel überragten. »Aber nicht hier, in der heißen Sonne«, sagte er.
    »Was sagt er?«, wollte Sean wissen.
    Uthman übersetzte das meiste. Sean zuckte mit den Schultern und sagte sich, dass die Ereignisse eine unvorhersehbare Wendung genommen hatten. In ein paar Stunden, so Gott will, dachte er, sind wir klüger.
    »Gehen wir in den Schatten«, sagte Sean und bemühte sich um ein Lächeln. »Mein neuer Bruder wird uns gewiss viel zu erklären haben.«
    Die Sonne, eine weiß glühende Scheibe im fahlblauen, wolkenlosen Himmel, näherte sich dem Scheitelpunkt ihrer Bahn. Ohne Eile gingen die drei dorthin zurück, wo Uthman und Sean vor zwei Stunden aufgebrochen waren.
     
    Jeder Schritt wirbelte graue und schwarze Ascheflocken auf. Ausgeglühte Holzkohle und schieferartig bröckelnde Steine knirschten unter den ledernen Sohlen der Reiter Stiefel von Abdullah ibn Aziz. Um ihn herum stiegen aus Dutzenden Essen schweflig stinkende Rauchwolken auf. Das Klirren von mindestens zwanzig Hämmern auf Eisen, Stahl und Ambossen und das Fauchen der Blasebälge schmerzten in den Ohren. Eine Karawane war eben angekommen, und die Tagelöhner leerten die schweren Krüge und die Ziegenbälge in die Wasserfässer, die überall zwischen Abu Lahabs Schmiedestätten verteilt standen.
    Der hochgewachsene Araber, der sich unablässig Staubkörner aus den Augenwinkeln wischte, rief einem rußgeschwärzten Sklaven zu:
    »Ich will mit dem Herrn der Schwerter reden.«
    Der bucklige, kahlköpfige Mann, dem mehrere Zähne fehlten, zeigte mit einem Grinsen, das zwei Reihen schadhafter, braun-gelber Zähne entblößte, auf eine steinerne Anlage, die entfernt einer Bank glich.
    »Dort, Emir, bei den Schleifern.«
    Hinter einer staubbedeckten, schulterhohen Mauer sah Abdullah ungefähr ein Dutzend Männer mit gebeugten Rücken, die auf Holzschemeln saßen und ihre Hände mit Lappen, Lederfetzen und Lumpen umwickelt hatten. Sie bewegten sich vorwärts und zurück, hin und her und wetzten Schwertrohlinge an grauen Steinen, über die schmale Wasserrinnsale liefen. Das zischende Geräusch, mit dem sich Stahl auf Stein rieb, marterte die Sinne. Abu Lahab ging von einem der Männer zum anderen, zog dabei ein frisch geschliffenes Schwert aus einem Korb, prüfte es, hielt es

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