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Die geheimnisvollen Pergamente

Die geheimnisvollen Pergamente

Titel: Die geheimnisvollen Pergamente Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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Jetzt, vielleicht drei Stunden vor Mitternacht, brannte nur noch eine Kerze. Joshua saß vor seinen Büchern, er las und machte sich hin und wieder Notizen. Die anderen Gefährten hatten sich in ihre Zimmer zurückgezogen und schliefen. Im Haus war kaum etwas anderes zu hören als schwere Atemzüge und Schnarchen. Im Garten plätscherte Wasser, Blätter raschelten, und Vögel bewegten sich in ihren Nestern.
    Nachtwolken zogen vor dem Mond vorbei; Dunkelheit und bleiches Licht wechselten einander in rascher Folge ab. Aus dem Gewirr der Gassen und zwischen den Mauern drangen leise Geräusche, Knistern und Klappern, Schritte und Flüstern. Dann herrschte wieder Stille, wie in jeder Nacht um diese Stunde.
    Einige Männer huschten fast lautlos durch die Finsternis. Sie redeten kaum miteinander, nur ab und zu ertönte ein zischendes Flüstern. Schattenhaft hoben sich Leitern gegen eine Wand ab. Sie waren nicht länger als sieben Ellen. Ein Strick schleifte über das Pflaster. Leise Schritte ertönten und geflüsterte Anweisungen. Von zwei Seiten näherten sich die schwarz gekleideten Männer der Gartenmauer und dem Haus von al-Mustansir.
    Sie sahen sich mehrere Male um. Niemand war ihnen gefolgt. Manchmal schlug das Ende eines Leiterholms gegen eine Hausmauer. Dann blieben die Männer stehen und lauschten. Einige Atemzüge später schlichen sie weiter und trafen sich schließlich vor dem Haus der Gefährten.
    Sie schoben schweigend und hastig die beiden Leitern zusammen, bis sich die Holmenenden eine Elle lang übereinander legten. Zwei Seile wurden straff um jeweils zwei Sprossen gewickelt, sodass aus zwei kurzen eine lange Leiter wurde. Die letzten Knoten zerrten die Männer, die ihre Gesichter geschwärzt hatten, mit aller Kraft fest. Daraufhin kippten sie die Leiter in die Höhe, achteten im wechselnden Mondlicht darauf, dass sie nirgendwo anstießen, und lehnten das Ende der Leiter an die Brüstung des Dachs.
    Ein Schwarzgekleideter packte die Holme und trat auf die unterste Sprosse, zog sich höher und sah sich um. Sein Schwertgriff ragte über seine linke Schulter, zwei Dolche steckten in seinem Gürtel. Er trug keinen Turban, sondern wie sein Mitverschworener einen schwarzen, um die Stirn geknoteten Tuchstreifen. Die Pluderhosen hatte er mit Riemen unter dem Knie zusammengeschnürt. Ein anderer streckte den Arm aus und deutete nach oben. Als der erste Mann sechs Sprossen hinaufgeklettert war, folgte ihm ein zweiter. Er war genau so gekleidet und bewaffnet wie sein Vorgänger. Zwei weitere Männer hielten die Leiter fest.
    Der erste Eindringling verharrte auf der obersten Sprosse, blickte sich um und schwang sein Bein über die Kante der Brüstung. Er tat es vollkommen geräuschlos, dann wartete er einige Herzschläge lang und zog das andere Bein nach. Er richtete sich auf und spähte in alle Richtungen. Schließlich griff er über die Schulter und zog mit einem leise schleifenden Geräusch das Krummschwert aus der Scheide.
    Der Mann machte drei Schritte von der Brüstung weg und wartete auf den zweiten Eindringling. Noch immer hatten sie kein Geräusch verursacht. Auch der Zweite stieg auf das Dach, oben zog er sein Schwert und sah sich um. Er lauschte und gab dem anderen ein Zeichen. Sie gingen auf Zehenspitzen zur Treppe und spähten hinunter.
    Unter einer Zimmertür war ein schmaler Lichtstreifen zu sehen. Einer der Männer stieß den anderen an, zeigte darauf und begann die Stufen hinunterzusteigen. Beide Eindringlinge versuchten, sich vorsichtig mit den Zehen vorantastend so lautlos wie möglich zu bewegen. Auf den breiten Klingen spiegelte sich das fahle Mondlicht, als die zerfaserte Wolke weiterzog.

12
    Mörder um Mitternacht
     
    Der wüste Traum endete mit Flammen und Rauch. Der Großmeister Jacques de Molays erstickte und verbrannte. Henri riss entsetzt die Augen auf, aber da war nur Dunkelheit, und nur allmählich, mit jedem Atemzug mehr, kam er zu sich. Er fror und schwitzte zugleich. Sein Herz hämmerte; man musste es im ganzen Haus hören. Nur ein Traum, dachte er und richtete sich ächzend auf. Mit Mühe erkannte er den weißen Krug auf der Tischkante. Er stellte die Füße auf die Dielen und stand auf.
    Wieder dieser Traum, dachte er. Immer diese Träume. Hört das nie auf?
    Er hob den Krug an die Lippen und nahm einige Schlucke kühles Wasser. Als er den Krug absetzte, hörte er ein Geräusch. Er kannte es, eine der Treppenstufen knarrte. Um diese Zeit sollte sie das allerdings nicht tun, denn um

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