Die Gehilfen des Terrors
Also
bleiben Sie höflich. Im Übrigen ist Ihre Geschichte leicht zu durchschauen. Sie
haben geahnt, dass die Begegnung mit meiner Freundin ein Nachspiel hat — haben
wahrscheinlich bemerkt, dass Gaby Ihre Kfz-Nummer feststellen konnte. Deshalb
jetzt das Märchen vom Autodiebstahl. Der Dieb war’s also, der den farbigen
Ausländer bedroht hat, wie? Der Messerheld muss wohl ein Doppelgänger von Ihnen
sein. Besitzen Sie ein Taschenmesser?“
„Das geht dich einen Dreck an.“
„Wenn Ihr Wagen gestohlen wurde
— wieso steckte dann der Zündschlüssel?“
Birkl kaute auf seiner
ausgefransten Unterlippe. Ein hasserfüllter Blick aus Augen mit
Stocknadelkopf-Pupillen sollte Tim durchbohren. Aber dann bequemte sich der
Kerl zu einer Erklärung.
„Der Zweitschlüssel klebt immer
unter dem vorderen Kotflügel. Ist an einem starken Magnet befestigt.
Wahrscheinlich hat der Dieb das entdeckt.“
„Das passiert Ihnen sicherlich
jeden zweiten Tag?“
„Was?“
„Schon gut. Es lohnt nicht, Ihr
Märchen zu überprüfen. Hier haben Sie Ihren Schlüssel. Aber eins merken Sie
sich: Wir werden Sie im Auge behalten. Noch eine Ausfälligkeit gegen Ausländer
und wir zeigen Sie an. Dann wird sich rausstellen, was für ein Volks... äh...
Gesinnungsgenosse Sie sind.“
„Haut ab, ihr beiden!“, zischte
Birkl. „Und außerdem: Selbst wenn ich das vorhin gewesen wäre — diese
kakaobraunen Kaffer schleppen nur Krankheiten ein. Neulich in der U-Bahn hat
mich einer angehustet. Danach hatte ich Herbstgrippe. Und unsere deutsche
Kultur haben die auch nicht. Schon mal darüber nachgedacht, ihr Klugscheißer?“
Tim und Gaby starrten ihn an.
Da war fast schon Mitleid im Blick.
„Es ist sinnlos“, sagte Gaby.
„Der zieht in seinem Leben nichts mehr vom Teller. Versifft in Wort und
Werken.“
Tim nickte: „Dumm geboren und
auf der Schiene hat er sich weiterentwickelt. Garantiert sind die Ausländer
schuld, wenn es regnet oder die Fußball-Nationalmannschaft gegen untrainierte
Tanzbären verliert. Hasta pronto, Senor Birkl, Do skorog vidjenja! Das heißt
Auf baldiges Wiedersehen — ist Spanisch und Jugoslawisch. Aber lieber wäre uns,
wenn wir Ihnen nicht mehr begegnen müssen.“ Tim hielt seiner Freundin die
Lifttür auf. Hinter ihnen wurden Flüche gemurmelt, dann die Wohnungstür
zugeknallt.
Sie fuhren hinunter. Gaby
wirkte bedrückt.
„Von denen gibt es viele, Tim.
Wohin soll das führen? Angeblich rückt die Welt doch zusammen. Globalisierung!
Mit jedem Schiet. Die Welt benötigt jedes Land und ihre Menschen. Untereinander
kann, darf keiner keinem Hilfe versagen. Ganz zu schweigen von Hass und
Verfolgung wegen nichts.“
„Dagegen gibt es kein Rezept,
Pfote. Nur Überzeugungsarbeit wo immer man kann. Und wenn gar nichts geht, dann
eben mal die Faust aus der Tasche holen. Ich glaube, einer wie Birkl versteht
nur das.“
Sie traten ins Freie. Ein
kalter Wind fegte an der Hausfront entlang. Regentropfen, die an den Simsen und
Baikonen hingen, sprühten. In der Höhe war ein leises Scheppern zu hören. Tim
blickte nach oben.
Der Geranientopf kam herunter
wie ein Geschoss.
Tim erkannte die Falllinie und
hielt Gaby sofort fest, hinderte sie am Weitergehen.
Drei Schritte vor ihnen knallte
der Topf auf den Steinplattenweg, zerbarst, löste sich in seine Bestandteile
auf. Tonscherben flogen umher. Die vertrocknete Erde blieb teils als Klumpen
erhalten, teils fielen Brocken ab. An der Pflanze waren noch einige rote
Blüten.
Tim spürte, wie Gaby in seinem
Arm erstarrte. Für einen Moment war sie sprachlos. Er äugte hinauf. Ja, es
konnte Birkls Balkon sein, von dem der Topf gefallen — nein, geworfen worden
war. Aber auch der Balkon nebenan kam infrage. Keine Bewegung war dort oben.
Kein neugieriges Gesicht, das sich über das Balkongeländer beugte. Logo! Denn
das hätte den Täter verraten.
„Tim!“ Gabys Stimme wackelte.
„Das... galt uns.“
„Für einen Zufall halte ich’s
nicht.“
„Birkl muss wahnsinnig sein.
Das ist ein Mordanschlag. So einen Topf aus dem fünften Stock auf den Kopf —
und wir sind alle.“
„Ich geh nochmal hoch.“
„Nein! Lass es! Wir haben
keinen Beweis. Es kann der Wind gewesen sein. Ein Zufall. Wenn du Birkl
ablederst, machst du dich schuldig. Wir müssen es hinnehmen. Vielleicht wollte
er uns auch gar nicht treffen, sondern nur warnen. Aber... ich weiß nicht...
wären wir weitergegangen... Jedenfalls wissen wir jetzt, wozu der fähig ist.“
„Dem begegnen wir
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