Die Gehilfen des Terrors
sind.“
„Und sie hauen ab von ihrem
Zuhause.“
„Exakt.“
„Dazu hätte ich mal eine
Frage“, sagte Klößchen: „Wenn ihr mit diesem Rainer, eurem Streetworker, gut
könnt, weiß der doch sicherlich genau über euch Bescheid. Er kennt eure
Probleme und auch eure Herkunft, also die Adressen der Eltern. Richtig?“
„Exakt.“
„Benachrichtigt der eure
Eltern? Ich meine, damit sie euch abholen.“
Die vier schüttelten wie auf
Kommando den Kopf. „Nein.“ Diesmal gab Gitta Auskunft. „Das Sozialamt, das
Jugendamt, die Streetworker — alle sind auf unserer Seite. Die wissen, dass es
nichts nützen würde, wenn man uns dorthin zurückverfrachtet, wo wir abgehauen sind.
Wir würden es wieder tun. Denn wir sind ja nicht ohne Grund getürmt. Mein Vater
ist ein A..., mit dem ich nie wieder rede. Hier in unserer Gemeinschaft fühle
ich mich toll.“
„So ein bisschen versuchen
sie’s natürlich“, ergänzte Thorsten die Erklärung. „Ich meine, wenn wir
einverstanden sind, macht das Sozialamt ‘nen Kontakt zu den Eltern. Die meisten
kommen dann angeeiert und wollen mit uns reden. Aber das bringt nichts. Die
ganze Chose ginge nur wieder von vorn los. Ich bin zweimal zurück zu meiner Mutter.
Aber die kann mich nicht leiden, hat dauernd was zu meckern und verbietet mir
alles — einfach alles. Zuletzt hat sie mit der Bratpfanne auf mich
losgedroschen. Ich gehe nie wieder zurück. Auf die betreute Wohnung freue ich
mich. Das wird cool. Später — wenn wir 18 sind — fällt dann auch die Betreuung
weg.“
Heike fröstelte plötzlich und
schien noch blasser zu werden unter ihrem Viertelpfund Schminke. „Hoffentlich
geht ‘s bis dahin gut. Ich habe furchtbaren Schiss. Vielleicht bringt der uns
um, der Irre.“
Thorsten legte ihr die Hand auf
den Arm. „Mach dich nicht verrückt! Cool bleiben, Heike! Dieser Irre ist nur
ein... Irrer.“
Karl und Klößchen waren sofort
ganz Ohr. Lief da was? Ungefragt wollte Thorsten erklären und öffnete schon den
Mund.
Aber in diesem Moment kamen Tim
und Gaby herein, zogen die Blicke auf sich und steuerten auch gleich auf ihre
Freunde zu.
6. Brutale Methoden der Luxus sanierer
Der silbergraue BMW glitt durch
die Innenstadt, fuhr dann westwärts und bog schließlich ein in die Achselmuffer-Allee,
die sich bis zur Stadtgrenze zieht — genau bis zum West-Bahnhof also satte
sechs Kilometer, mit 19 Kreuzungen. Kommissar Glockner, Gabys Vater, fuhr
selbst. Es ist sein Wagen. Und den benutzt er lieber als die Dienstwagen vom
Präsidium. Die sind entweder ständig im Einsatz oder die Anzeige der
Tankfüllung geht falsch oder die Rückleuchten funktionieren nicht. Glockners
junger Kollege Paul Überstätter saß rechts. Er verfügt über das Temperament
einer Schlaftablette, was aber täuscht. Unter dösig hängenden Lidern passte er
auf wie ein Luchs und sog geradezu begierig auf, was er von Glockner — den er
für den fähigsten aller Kriminalisten hält — lernen konnte.
„Äh... ich bin nicht
informiert, Herr Glockner. Ich kenne die Akte noch nicht.“
„Die Akte über Jens Lohmann
wird erst noch angelegt. Unser Fall beginnt bei null. Allerdings — über Lohmann
ist mir vieles bekannt. Auch in unserer Millionenstadt muss unsereins auf dem
Laufenden sein.“
„Verstehe.“
Glockner fuhr langsam. 30
std/km war geboten. Rüttelschwellen auf der Allee sorgten dafür, dass dieses
Tempo eingehalten wurde. Die Allee war Wohngegend. Auf den Grünstreifen
spielten Kinder. Freilaufende Katzen und Hunde hatten früher ihr Leben riskiert
und häufig auch eingebüßt. Denn vor Einführung der Langsamkeit hatten sich
Verkehrsrowdys auf dieser Strecke Rennen geliefert. Nachts mit Motorrädern und
Geschwindigkeitsrekorden. Aber auch bei Tage. Für rücksichtslose Typen bieten
sich sechs Kilometer im geraden Verlauf dazu an.
„Lohmann ist Bauunternehmer“,
erklärte Gabys Vater. „Aber nicht sehr erfolgreich. Immer haarscharf an der
Pleite vorbei. Seit zwei Jahren verlegt er sich auf so genannte
Luxussanierungen. Das heißt: In Wohngegenden, die noch preiswert sind, aber
aufstreben, kauft er alte Häuser. Manche stehen unter Denkmalschutz — dürfen
also nicht abgerissen werden. Andere sind in der Substanz gut und es wäre
hirnrissig, wenn man sie platt machte. In den Häusern sind Mieter. Sie zahlen
geringe Miete. Es sind bescheidene Leute, die sich mehr nicht leisten können.
Oft haben sie langfristige Mietverträge. Oft sind es alte Leute, die schon 20,
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