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Die Geisel

Die Geisel

Titel: Die Geisel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G. M. Ford
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überzeugt. Und so kam es, dass Bob Temple mit einer minimalen Veränderung seiner täglichen Routine ein unsichtbares Netz aus Verbindungen in Bewegung versetzte … Verbindungen, die er niemals hätte vorhersehen können.
    Zwei Stunden zuvor, beim Frühstück, hatte Bob sich etwas länger aufgehalten, als es seine Gewohnheit war. Er hatte mit Walt Moller über Politik geredet. Einer seiner Lieblingszeitvertreibe. Es war niemand außer ihnen beiden da gewesen, und Bob hatte sich einfach verquatscht. Als er auf die Uhr schaute, lag er bereits vierzig Minuten hinter dem Zeitplan zurück und hatte wahrscheinlich dreimal so viel Kaffee getrunken wie gewöhnlich.
    Und jetzt, wie wohl zu erwarten gewesen war, musste er pinkeln, also fuhr er in Blue Creek vom Highway runter, rollte auf den kleinen Platz hinter den Splitthaufen des Straßenbauamtes, stieg aus dem Truck, zog seinen Reißverschluss herunter und hatte mit einem tief empfundenen »Aaaaaah« gerade begonnen, sich von dem Übermaß an Kaffee zu erleichtern.
    Da sah er die Reifenspuren. Große, breite Reifenspuren, die von ihm wegführten, zu dem Teil des alten Highways, der den Sommerbüschen und Herbstkräutern überlassen worden war.
    Temple brachte sein Geschäft zu Ende und ging zu Fuß den Spuren nach, folgte dem Kielwasser von dem, was auch immer die Spuren hinterlassen hatte. Regenfälle hatten in den vergangenen Tagen jede kleine Bodenvertiefung mit Wasser gefüllt. Das Reifenprofil war in der matschigen Erde gut sichtbar. Abgerissene Blätter und Spitzen von Eichenästen bedeckten den Boden. Bob Temple sah in die Bäume über ihm hinauf, wo die niedrigsten Äste abgebrochen waren. Was immer die Spuren hinterlassen haben mochte, es war mindestens drei Meter hoch. Eine Art Wohnmobil vermutlich, dachte er.
    Wenn jemand einfach das Schloss aufgebrochen oder das Kabel durchgeschnitten hätte, hätte er vielleicht einfach mit dem weitergemacht, was für heute auf dem Plan stand. Einfach überall entlangzufahren, wo und wann ihnen gerade danach war, war für die Leute hier in der Gegend ziemlich typisch. Sie waren der Auffassung, dass alles ihnen gehörte, weil sie hier lebten. Doch das hier roch nicht nach Einheimischen. Die Einheimischen gingen nicht heimlich vor. Sie fuhren einfach vor, setzten die Winde an und zogen aus dem Boden, was ihnen im Weg war. Früher oder später würde Bob den Schaden bemerken, eine Crew bitten, ihn wieder zu reparieren, und der Zyklus würde von neuem beginnen. Die Tatsache, dass jemand versucht hatte, sein oder ihr Eindringen zu verstecken, indem er oder sie das Tor mit einem Stück Kleiderbügeldraht wieder verschlossen hatte, machte ihn neugierig.
    So kam es, dass Bob Temple, gleichermaßen von Pflichtbewusstsein und Neugier getrieben, die dicke rostige Kette zu Boden fallen ließ und seinen Truck vom U.S. Forest Service auf den rissigen Beton der alten Angels Mountain Road fuhr, wie die Goldgräber sie vor hundertfünfzig Jahren genannt hatten.
    Wer immer das war, er war noch nicht lange hier oben. Während der ersten halben Meile, als er eine kleine Lichtung überquerte, waren die Reifenspuren noch auf dem nackten Beton sichtbar. Am Anfang der Straße hatten die überhängenden Bäume den Straßenbelag mit einer dicken Blätterschicht bedeckt, die jegliche Spuren eines unerlaubten Eindringens verbarg.
    Temple legte den zweiten Gang seines Automatikgetriebes ein, als der Anstieg steiler wurde. Die Einheimischen nannten diesen Abschnitt ›Lookout Road‹, nach der Angels Mountain Fire Lookout Station, einer Feuerwache, die nur von Juni bis September bemannt war. Die Lookout Road war nur einer von drei Abschnitten des alten Highways, die regelmäßig vom Forest Service instand gehalten wurden, und der einzige Abschnitt, auf dem ein großes Wohnmobil wenden konnte.
    Er wurde langsamer, als er sich der Kuppe näherte. Die Bäume standen weiter auseinander und verschwanden schließlich ganz, als er das Plateau erreichte. Hoch auf Pfeilern gebaut, blickte der Angels Mountain Fire Lookout über die ganze Ostseite der Sierras, bis über den Mount Whitney hinaus und in die Mojave-Wüste dahinter. Hinter der Nordseite des Turms stand ein großes braun-weißes Wohnmobil mit einer weißen Satellitenschüssel auf dem Dach, die in den Himmel zeigte.
    Bob Temple gab ein bisschen Gas und ließ den Wagen vorsichtig weiterrollen. Während er dahinkroch, kurbelte er das Fenster der Fahrertür herunter. Hoch über dem Turm segelte ein

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