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Die Geisel

Die Geisel

Titel: Die Geisel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G. M. Ford
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schickte Rosen ihren rasch verschwindenden Rücken noch einmal hinterher.
    Dann holte er tief Luft, hob das Megafon vom Boden auf und machte sich auf den Weg hangabwärts. Seine Halbschuhe waren nicht dafür gedacht, laubbedeckte Abhänge hinunterzuklettern. Mit der freien Hand musste er sich an Büschen und Felsbrocken festhalten, um nicht eine rasante Abfahrt auf Straßenschuhen zu riskieren, ohne Ski. Westerman, Buttros und Speck waren ähnlich benachteiligt.
    Sie kamen nur langsam voran, einen vorsichtigen Schritt nach dem anderen. Auf halbem Weg postierte Rosen Speck und Buttros an der Vorderseite des Fahrzeugs, während er und Westerman weitergingen, bis sie einen Platz etwa in der Mitte zwischen den Gruppen erreicht hatten.
    Westerman verständigte sich per Funkgerät mit den anderen Gruppen. »Alle bereit«, verkündete sie. Rosen zog seine Dienstwaffe. Ein 9-Millimeter-Colt Automatik. Acht im Magazin. Eine im Lauf. Westerman tat es ihm gleich.
    Alle Vorhänge waren geschlossen, außer ein paar zufälligen Ausschnitten der Innendecke war nichts zu sehen. Gerade als Rosen sich fragte, ob das Wohnmobil vielleicht leer war, konnte man plötzlich von drinnen Stimmen hören. Das Fahrzeug geriet leicht ins Schwanken. Ein Licht an der Decke ging an. Die Haare auf Rosens Armen stellten sich auf.
    Rosen hielt das Megafon vor die Lippen und drückte auf den Knopf. »Hier spricht das FBI«, sagte er. »Legen Sie die Hände auf den Kopf, und kommen Sie aus dem Wagen.« Eine Pause. »Hier spricht das FBI. Legen Sie die Hände auf Ihren Kopf, und kommen Sie aus dem Wagen.« Nichts.
    Rosen hängte sich ans Funkgerät. Befahl den beiden Agenten am Heck des Wagens vorzurücken. Sie brauchten eine Minute, bis sie sich direkt an die Rückwand des Wohnmobils pressen und in Erwartung des Kommenden um die Ecken spähen konnten. Wieder das Megafon: »Hier spricht das FBI. Legen Sie …«
    Und die Tür begann sich langsam zu öffnen. »Langsam …«, sagte Rosen ins Funkgerät. »Ganz ruhig.«
    Er nahm das Megafon wieder hoch. »Legen Sie die Hände auf Ihre Köpfe, und kommen Sie aus dem Fahrzeug.«
    Sie kamen heraus. Zwei. Ein Mann und eine Frau. Die Geiseln. Melanie Harris und Martin Wells. Driver musste sie freigelassen haben.
    »Runter, legen Sie sich hin, legen Sie sich auf den Boden. Behalten Sie die Hände an den Köpfen, und legen Sie sich auf den Boden.« Langsam befolgten sie die Befehle.
    Westerman blinzelte, um zu sehen, ob sie Melanie Harris erkannte, doch der Wind wehte der Frau ständig die Haare vors Gesicht, so dass das unmöglich war.
    Rosen sprach leise ins Funkgerät, und plötzlich traten alle aus der Deckung. Zwei Teams deckten die Türen. Zwei weitere eilten zu den Gefangenen, legten ihnen Handschellen an und zogen sie auf die Füße, bevor sie sie in den Schutz der Bäume zerrten.
    »Keine Spur von Driver«, sagte Westerman.
    »Der kommt nicht lebend raus«, sagte Rosen.
    »Was jetzt?«
    »Sorgen wir dafür, dass er nirgendwo mehr hinfährt«, sagte er. Er nahm das Funkgerät. »Schießt die Reifen platt«, befahl er. Das Feuer setzte langsam ein, wurde dann heftiger. Sie brauchten etwa vierzig Schüsse, bis alle vier Reifen platt waren.
    Das Funkgerät piepste. Rosen drückte auf Empfang. »Ja.«
    Timmons am anderen Ende: »Der Typ hier … Der eine … Sie wissen schon, die Geisel.«
    »Ja.«
    »Er sagt, er heißt Richard S. Kelly, und er findet's gar nicht gut, dass wir sein nagelneues Wohnmobil zu Schrott schießen.«
    »Ganz und gar nicht gut, verdammt noch mal«, hörte Rosen die Stimme aus dem Hintergrund.

47
    Nicht dass er so ein Öko-Baumfreak gewesen wäre. U.S. Forest Service Ranger Bob Temple hatte seine Karriere nicht in einem Anfall von Idealismus begonnen, und eine Dekade in den Wäldern hatte größtenteils bestätigt, was er immer vermutet hatte. Dass Geld die Welt regiert und fast keiner sich einen Dreck um Ressourcen scherte, natürliche oder andere.
    Positiv betrachtet hatten ihm seine Jahre im Wald die Erkenntnis beschert, dass alles miteinander zusammenhängt. Eine Ahnung davon, dass schon eine allerkleinste Veränderung unvorhersehbare Auswirkungen auf ein System haben konnte, das so kompliziert und vielgestaltig war, dass es die Menschen zu reinen Zuschauern degradierte. Seiner Meinung nach war die Vorstellung lächerlich, die Menschheit würde den Planeten am Ende ruinieren. Wenn gar nichts mehr ginge, würde Mutter Erde uns ausscheißen wie einen Pfirsichkern. Davon war er

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