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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Ricarda Jordan
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deklariert, hier hingegen als Opfergaben für das Heiligtum des Gottes. Arkona war Zentrum der Verehrung des Kriegergottes Svantevit, die Gläubigen kamen aus dem gesamten slawischen Raum, und die Priester hatten großen Einfluss.
    Baruch verzog das Gesicht, als Amra von den Opfergaben sprach. Er nannte die Abgaben ungern so. Seine Religion verbot es ihm, andere Götter als den einen der Juden zu verehren. Dennoch lieferte er brav Gold oder Wertgegenstände bei den Priestern ab, und die anderen jüdischen und christlichen Kaufleute taten es ihm gleich. Rujana war zu wichtig und die Einkünfte aus dem Heringshandel zu groß, um sich hier in religiösen Spitzfindigkeiten zu verlieren.
    »Die Heringe sind gerade erst gekommen, aber gestern Nacht sind dem König noch andere Fische ins Netz gegangen«, meinte Baruch grimmig. »Hast du nicht von der Galeere gehört, die sie aufgetan haben, die Männer von Arkona und von Vitt?«
    Amras Blick verdüsterte sich. »Doch. Das war kein leichter Fang. Olessa und Mava trauern um ihre Männer …«
    Die Ortschaft Vitt konnte vom Heringshandel eigentlich gut leben, aber die Fischer hatten auch Einkünfte aus weniger friedlichen Unternehmungen. Seeräuberei versprach Abenteuer und leichte, reiche Beute. Sowohl von der über der Steilküste thronenden Burg Arkona aus als auch von dem etwa eine Meile entfernt in einer Uferschlucht gelegenen Vitt beobachtete man die Bucht. Kam ein Schiff in Sicht, das man nicht kannte und war es womöglich in Schwierigkeiten, dann sandte Tetzlav seine Männer hinunter nach Vitt, und die Fischer stellten ihnen bereitwillig ihre Boote für eine Kaperfahrt zur Verfügung. Die Ranen hatten kleine, wendige Schiffe mit geringem Tiefgang, nicht für Hochseeschifffahrt geeignet, doch überaus schnell in Ufernähe. Die meisten Handelsschiffe hatten der Übermacht der Ranenpiraten wenig entgegenzusetzen, aber mit der Galeere der vergangenen Nacht verhielt es sich anders. Berichten der Fischer zufolge war sie voller Ritter gewesen, die sich kraftvoll zur Wehr setzten. Letztlich hatten die Seeräuber die gesamte Besatzung zur Strecke gebracht – lediglich zwei Gefangene lagen in Ketten auf der Burg –, dennoch hatten sie ihren Sieg teuer bezahlt. Zwei Fischer aus Vitt und über zwanzig Ritter des Königs waren auf See geblieben.
    »Und es gab nicht mal besonders viel Beute«, fuhr Amra fort. Auch darüber war in Vitt offen geredet worden. Die Piraterie verursachte niemandem Gewissensbisse.
    Baruch nickte. »Eben das gibt mir Hoffnung für meine Mission«, meinte er. »Ich werde versuchen, die zwei Gefangenen freizukaufen. Das Schiff war eine Galeere der Templer. Sie würden ihre Leute sicher gern auslösen.«
    Baruch fungierte oft als Vermittler zwischen Gefangenen und Seeräubern. König Tetzlav und seinen Leuten ging es um schnelles Geld. Die sonst im Abendland durchaus übliche Praxis, wohlhabende und hochgeborene Gefangene monatelang festzuhalten, bis der Kontakt mit ihren Angehörigen hergestellt und eine Lösegeldzahlung erfolgt war, lag ihnen nicht. Also löste Baruch die Opfer der Piratenangriffe auf gut Glück aus und hoffte auf Vergütung seiner Auslagen. Enttäuscht wurde er dabei selten. Tetzlav gab die Gefangenen meist ohne großes Federlesen heraus, und die erwiesen sich als überaus dankbar und dementsprechend großzügig.
    »Kann ich nicht mitkommen?«, fragte Amra.
    Inzwischen hatten sie die Hälfte des Weges zur Burg zurückgelegt. Der Höhenweg bot reizvolle Ausblicke den Kreidefelsen hinunter bis weit über die blaugraue, heute fast spiegelglatte See, doch keiner der beiden achtete darauf.
    Baruch lächelte. »Und womit begründe ich die Eskorte?«, erkundigte er sich.
    Amra zuckte die Schultern. »Ich könnte Euer Pferd halten«, schlug sie vor und tätschelte den Hals der falben Stute.
    Baruch schüttelte den Kopf. »Es gibt ausreichend Anbindeplätze auf der Burg«, wehrte er ab.
    Amra grinste zu ihm hoch. »Aber Susa ist ein kluges Pferd. Sie könnte sich losreißen und über das Heiligtum des Gottes laufen. Dann würdet Ihr geköpft!«
    Baruch lachte. »Eben weil sie ein kluges Pferd ist, wird sie das tunlichst bleiben lassen«, gab er zurück. »Und angesichts der Möglichkeit, geköpft zu werden, pflege ich meine Knoten auch stets besonders gewissenhaft zu winden.«
    Amra schürzte die Lippen wie immer, wenn sie angestrengt nachdachte.
    »Ich könnte sagen, ich wollte dem Gott opfern«, meinte sie. »Ich hab vorhin Sanddorn
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