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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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weißt du was, komm mit! Diesen Männern da unten wird nie wieder der Blick auf eine Frau vergönnt sein. Es … es mag sie trösten und ihnen vielleicht noch einen schönen Traum schenken.«
    Er legte dem Mädchen die Hand auf die Schulter. »Willst du?«, fragte er.
    Amra nickte eifrig. Sie hatte noch nie einen Kerker von innen gesehen, und auch wenn die Männer ihr leidtaten – vor allem brannte sie vor Neugier!

Kapitel 2

    G isbert de Soigne verlangte es nicht nach Trost, und er würde in seiner letzten Nacht auf Erden auch kaum an Mädchen denken. Der Tempelritter war tiefgläubig. Er wusste, welches Schicksal ihm bevorstand, und er trug es mit Gelassenheit. Gisbert de Soigne würde reinen Herzens vor seinen Gott treten, und er war auch nicht mehr jung. Hinter ihm lag ein erfülltes Leben, Gott hatte ihm alles gewährt, worum er ihn gebeten hatte. Er hatte das Dasein eines Ritters mit dem eines Seemanns verbinden können.
    Als er damals in Marseille, wo er aufgewachsen war, die Galeeren und Handelsschiffe im Hafen gesehen hatte, hatte er sich danach gesehnt, auf einem dieser Schiffe anzuheuern, doch als Sohn eines Landedelmanns sollte er zum Ritter geschlagen werden und das Lehen seines Vater übernehmen. Schließlich war er fortgelaufen. Gott hatte ihn gleich dafür gestraft und den Segler, auf dem er diente, vor Genua sinken lassen, aber der Allmächtige hatte ihm auch den Weg gewiesen: Das Schiff, das die Überlebenden aufnahm, war eine Galeere der Templer gewesen. Von Reue und Dankbarkeit für seine Rettung erfüllt, war Gisbert dem Orden als Novize beigetreten, hatte seine Schwertleite erhalten – und dann gern die Aufgabe angenommen, zum Schutz einer der Galeeren des Ordens zur See zu fahren. Sein Interesse an Navigation und Nautik war den Ordensoberen bald aufgefallen – und man hatte ihn lernen lassen. Inzwischen befehligte er ein eigenes Schiff, hatte die ganze bekannte Welt bereist und seinem Gott dabei ergeben gedient. Der Märtyrertod unter dem Schwert des heidnischen Priesters würde dieses Leben krönen, Gisbert fürchtete sich nicht. Wenn da nur nicht die Sorge um den Jungen wäre, der sein Schicksal mit ihm teilen sollte.
    Magnus von Lund war kein Templer, nicht einmal ein Novize. Und er war jung, gerade erst fünfzehn Jahre alt. Gisbert fühlte ihm gegenüber eine persönliche Verantwortung. Der König von Dänemark hatte ihm den Knaben übergeben, einen entfernten Verwandten, der am Hof seines Waffenbruders Heinrich von Sachsen, den man jetzt schon »den Löwen« nannte, erzogen werden sollte. Gisbert hatte ihn mit nach Lübeck nehmen wollen, um dort eine Weiterreise nach Braunschweig zu Heinrich zu organisieren.
    Nun würde es König Waldemar nicht gerade das Herz brechen, wenn der Junge hier ums Leben kam. Tatsächlich mutmaßte Gisbert, dass Magnus gerade deshalb an den Hof des Löwen wechseln sollte, weil er seinem Verwandten nicht sonderlich wichtig war. Bei Licht betrachtet würde Magnus eher eine Geisel als ein Gast in Braunschweig sein. Für Heinrich sicherte dessen Anwesenheit an seinem Hof, dass Waldemar nicht gleich angriff, sollte die Waffenbrüderschaft der Männer irgendwann in Feindschaft umschlagen. Andererseits lebten auch Angehörige von Heinrich am dänischen Hof, jedoch sicher keine eigenen Kinder, Nichten oder Neffen, sondern entferntere mittellose Verwandte, auf die man im Zweifelsfall verzichten konnte. Magnus war dafür ein typisches Beispiel: Sein Vater bewirtschaftete ein kleines Lehen bei Lund, er konnte sich die Ausbildung seiner beiden Söhne zu Rittern nicht leisten. So hatte sich seine Mutter, eine Kusine dritten Grades des Königs, an Waldemar gewandt und ihm Magnus ans Herz gelegt. Waldemar konnte kaum Nein sagen und sah auch gleich, wo der Junge ihm von Nutzen sein konnte.
    Nun mochte der Aufenthalt in Braunschweig auch Magnus zugute kommen – Gisbert zumindest wünschte ihm das von Herzen. Er hatte den Knaben auf der Reise lieb gewonnen. Magnus war klug und praktisch veranlagt, sich zu keiner Arbeit zu gut. Er kletterte bald geschickt wie ein Schiffsjunge die Masten hinauf, blickte vom Ausguck in luftiger Höhe auf die See, half der Mannschaft beim Deckschrubben und stellte sich ebenso vergnügt und willig der Übung mit dem Schwert. Der blonde, hoch aufgeschossene Junge brannte darauf, zum Ritter geschlagen zu werden und Abenteuer zu erleben. Er hatte sich auch beim Kampf mit den Piraten nach Kräften gewehrt, sicher wäre er eine Zierde seines Standes

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