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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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gepflückt«, sie nestelte ein Säckchen aus ihrer Tasche, »das könnte ich dem Gott schenken …«
    Baruch hob die Augen gen Himmel, nachdem er einen kurzen Blick auf das Beutelchen geworfen hatte, in dem ein paar verschrumpelte, vorjährige Beeren lagen. »Wenn du es wagst, dem Gott so eine magere Spende zukommen zu lassen, wird man eher dich köpfen«, neckte er sie. »Und überhaupt, was sollte ein kleines Mädchen wie du vom großen, kriegerischen Gott Svantevit zu erbitten haben?« Baruchs Stimme klang wie immer ein wenig spöttisch, wenn er von einem der Götter der Ranen sprach.
    Amra hob stolz den Kopf. »Vergeltung!«, erklärte sie mit klingender Stimme. »Der Mann von Olessa war so etwas wie mein Oheim … glaube ich jedenfalls. Deshalb will ich für seinen heldenhaften Eingang in die jenseitige Welt opfern und …«
    Baruch lachte erneut. »Du bist jedenfalls um keine Antwort verlegen.« Es klang anerkennend. Und schließlich griff der Kaufmann in seine Satteltasche. »Hier. Das kannst du dem Gott opfern«, erklärte er, indem er eine Kette aus Perlen und Halbedelsteinen zutage förderte. »In meinem Namen, damit Svantevit die Verhandlungen segnet und das Orakel zu unseren Gunsten entscheidet, falls die Priester es für nötig halten, es wegen der Gefangenen zurate zu ziehen.«
    Das war eher selten, aber diesmal rechnete Baruch mit Komplikationen. Die aufgebrachte Galeere war ein Schiff der Templer – die Überlebenden mochten also auch zu den Kriegermönchen gehören. Und womöglich wollte Tetzlav obendrein Rache für seine getöteten Männer. Unter Umständen würden die Ranen den Gott entscheiden lassen, ob man die Gefangenen auslösen ließ oder tötete.
    Inzwischen kamen die Burgwälle in Sicht, die Gebäude blieben dahinter verborgen. Um die Burg zum Land hin zu sichern, waren zwei Erdwälle aufgeworfen worden, den vorderen hatte man zudem mit Holz verkleidet. Neben den Toren thronten Wachtürme. Amra steckte die Kette mit einem Dank ein und folgte Baruch dann eingeschüchtert über den hölzernen Steg, mit dem der Burggraben überbaut war. Die Wachen winkten die beiden allerdings ohne Durchsuchung mit kurzen Grußworten durch. Der Kaufmann aus Stralow war wohlbekannt und recht beliebt. Im Gegensatz zu den meisten anderen Handelsherren sprach er Ranisch und war sich nicht zu fein, auch mit den einfachsten Söldnern ein paar Worte zu wechseln. Jetzt neckte einer ihn mit seiner weiblichen Begleitung.
    »Habt Ihr Euch gar eine Frau genommen, Herr Baruch, und erbittet jetzt den Segen der Götter? Aber da seh ich schwarz für die Treue bei einem so jungen Ding!«
    Amra errötete unter den forschenden Blicken der jungen Burschen, Baruch ließ sich jedoch nicht aus der Ruhe bringen.
    »Glaubt Ihr wirklich, ein so hübsches Ding würde einem alten Bock wie mir auch nur einen Blick schenken?«, gab er im gleichen Ton zurück. »Schaut sie Euch an, die Kleine – wenn sie alt genug ist, einen Gatten zu wählen, werden die Könige bei ihrer Mutter Schlange stehen.«
    Die Wachleute johlten und ließen den Kaufmann und Amra durch, die jetzt überhaupt nicht mehr wusste, wo sie hinschauen sollte.
    Das gab sich allerdings bald. Das Geschehen in der Burg war viel zu interessant, als dass Amra lange schamhaft zu Boden blickte, und sie war gewöhnlich nicht schüchtern. Sie folgte Baruch nun auch durch den zweiten Wall und betrachtete dann mit großen Augen das Heiligtum des Gottes, das sich vor ihr auftat. Der Tempel war weitaus prächtiger als der Palas des Königs, der eher unscheinbar wirkte. Aber das hoch aufragende Dach, unter dem die riesige Statue des Gottes Svantevit Schutz fand, leuchtete purpurn in der Farbe der Könige. Baruch hatte Amra erzählt, dass diese Farbe überaus kostbar war, und sicher musste man den Anstrich oft erneuern, um das Strahlen zu erhalten.
    Das Mädchen spähte unter das Dach, um vielleicht einen Blick auf den Gott zu erhaschen, das war indessen nicht einfach. Das Heiligtum befand sich inmitten eines viereckigen Platzes, den niemand betreten durfte außer den Priestern des Gottes. Auch sie näherten sich der hölzernen Statue mit äußerster Demut. Innerhalb des heiligen Bereichs durften sie nicht einmal atmen, um den Gott nicht zu beleidigen.
    Das Geviert wirkte denn auch wie eine Insel der Ruhe im regen Treiben rundum. Im direkten Umkreis des Tempels empfingen die Priester Gläubige, nahmen Opfergaben entgegen und boten sie dem Gott dar. Der Hohepriester Muris – Amra kannte

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