Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)
behalten wir. Wir … wir werden ihn im Haus vergraben. Vor der Kochstelle. Als unsere persönliche Versicherung. Falls doch noch einmal etwas passiert, falls uns doch noch einmal jemand erkennt und wir fliehen müssen.«
Magnus zog sie an sich. »Es gibt keinen anderen, der uns erkennen könnte«, sagte er tröstend. »Es ist vorbei, Amra. Wir sind in Sicherheit. Für immer.«
Amra lächelte. »Mit einem Schatz unter der Herdstelle, Geliebter, fühlt man sich immer noch ein bisschen sicherer …«
Sie griff nach Magnus’ Hand, als sie den Schatz in den Wagen luden und Decken darüber breiteten. Kurz danach waren sie auf dem Weg nach Hause – ein schweres Gespann, ein Bulle, der hinter dem Leiterwagen hertrottete, ein bellender Hund, ein lachendes Kind.
Bauern – zufrieden mit ihrem Los.
Epilog
K napp tausend Jahre später unternahmen Archäologen Ausgrabungen auf Rujana in der Umgebung der früheren Burg Arkona. Zu ihrer Überraschung entdeckten sie im Fußboden am Ofen eines Wohnhauses einen Korb aus Rutengeflecht, gefüllt mit Münzen, sogar aus dem Morgenland, geprägt im 9. Jahrhundert. Man nimmt an, dass es sich um Silber und Gold aus dem Tempelschatz des Svantevit handelt.
Amra und Magnus haben ihren Notgroschen nie gebraucht.
Nachwort
D ieser Roman behandelt die Christianisierung der Ranen auf Rügen – eine Zeit, aus der wenig überliefert ist. Schriftliche Aufzeichnungen vonseiten der Ranen gab es nicht, lediglich außenstehende Geschichtsschreiber wie Saxo Grammaticus überlieferten uns ihre Sicht vom Leben auf der Burg Arkona und dem Kult des Gottes Svantevit. Die Wissenschaft ist hier auf archäologische Ausgrabungen angewiesen, die oft unter schwierigen Bedingungen stattfinden, denn Kap Arkona ist ständig durch Uferabbrüche gefährdet. Man nimmt an, dass nach zehn bis zwanzig Landabbrüchen pro Jahrhundert nur noch ein Drittel der ursprünglichen Fläche der Burganlage erhalten ist. Immerhin weiß man inzwischen, wie Burg und Tempel aufgebaut waren, meine Schilderungen der Anlage sind also authentisch.
Die Bedeutung des Svantevit-Orakels in der damaligen slawischen Welt ist unumstritten. Man weiß, dass die Deutung mithilfe der heiligen Pferde des Gottes herbeigeführt wurde, die Quellen widersprechen sich allerdings teilweise in den Details: ob dem Gott nun Schimmel oder Rappen geweiht waren und ob sie zur Ermittlung des Wissens um die Zukunft über eine oder mehrere Lanzen geführt wurden. Das Orakel verlief aber sicher etwa so, wie geschildert, und war insofern von kritischen Geistern leicht zu durchschauen. Das sind allerdings auch die Tricks moderner »Pferdeflüsterer«, die Reiter und Pferdefreunde ebenso bewundern und die genauso bereitwillig bezahlt werden, wie damals die Priester des Svantevit entlohnt wurden. Wie Baruch und Graubart sagen würden: Der Mensch glaubt, was er glauben will, und schaltet seinen Verstand gern dabei aus.
Archäologische Funde ergaben, dass dem Gott Svantevit tatsächlich Menschen geopfert wurden, man fand Fragmente von Skeletten und abgetrennte Köpfe. Wie genau die Zeremonie allerdings vor sich ging, ist nicht bekannt, hier habe ich meiner Fantasie freien Lauf gelassen. Häufiger als Menschen opferte man dem Gott ohnehin Tiere, oder man beschränkte sich auf Sachspenden wie Waffen oder Perlen, die dann im Tempelbereich vergraben wurden.
Rügen im Allgemeinen und Vitt im Besonderen waren zur fraglichen Zeit tatsächlich schon Zentrum des Heringshandels – die Fische waren als Fastenspeise während des gesamten Mittelalters sehr begehrt. Es ist auch erwiesen, dass viele Kaufleute aus den verschiedensten Ländern und Regionen damals Höfe als Handelsstützpunkte auf Rügen unterhielten, die meisten davon in Puttgarden. Funde von Drachmen und anderen Münzen aus der ganzen damals bekannten Welt beweisen Geschäftsbeziehungen bis in arabische Länder, und der Sklavenhandel florierte überall. Es liegt also durchaus im Bereich des Möglichen, dass Baruch König Tetzlav mit zwei maurischen Odalisken beschenkte. Auch die große Bedeutung des Sklavenmarktes bei Mikelenburg, dem heutigen Mecklenburg, ist belegt, die Geiseln aus Rügen dürften dort verkauft worden sein.
Sehr gut erforscht ist der Feldzug des Dänenkönigs Waldemar zur Eroberung Rujanas. Man weiß genau, wer hier beteiligt war und wann die einzelnen Aktionen stattgefunden haben. Tatsächlich wurde die Kapitulation dadurch beschleunigt, dass sich ein junger Mann aus dem Dänenheer auf
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