Die Geisel
einem Menschenalter mit Skouboe verheiratet, und alle in der Praxis wussten, dass Dr. Skouboes Erfolg einzig und allein Alice organisatorischem Talent und Geschäftssinn geschuldet war. Darum war es auch Alice und nicht Skouboe selbst, mit der Maja derzeit Verhandlungen über ihre zukünftige Partnerschaft führte.
»Ist Skoubi noch nicht da?«, fragte Maja.
»Der spricht gerade mit der Polizei.«
Maja runzelte die Stirn. »Ist irgendwas nicht in Ordnung?«
»Ach, sicher nur eine Routinebefragung. Soweit ich weiß, geht es um diese furchtbare Sache, von der die Zeitungen täglich berichten.«
Maja runzelte die Stirn. »Was haben wir denn damit zu tun?«
»Sie haben nach den Patientenakten gefragt, mehr kann ich nicht sagen«, antwortete Alice und zuckte die Schultern.
Maja biss sich in die Lippe.
»Ich hab Kräutertee für dich und die Mädchen gekauft, der wird dir guttun.« Alice drehte sich um und ging zu den Sekretärinnen.
»Danke«, entgegnete Maja und rührte sich nicht vom Fleck.
Das Erste, was Maja sah, als sie ihr Büro betrat, war ein großer Blumenstrauß auf ihrem Schreibtisch. Obwohl die Blumen von heute waren, ließen sie bereits die Köpfe hängen. Sie las die beigefügte Karte. Der Strauß war von allen Kollegen in der Praxis. Sie zählte sechzehn Unterschriften. Alle gratulierten zu Majas »Diplom«. Aus Spaß hatten sie hinzugefügt, dass sie sich nun mächtig bei ihr einschmeicheln würden, nachdem sie doch jetzt eine so wichtige Person geworden sei. Maja schossen Tränen in die Augen. Für solche Gesten war sie derzeit einfach zu emotional. Sie verfluchte ihre Hormone, die ein Eigenleben zu führen schienen. Am Nachmittag wollte sie Kuchen zum Kaffee kaufen - oder vielleicht doch lieber Eis bei der Hitze?
In diesem Moment klopfte es an der Verbindungstür zu Skouboes Büro. Dr. Skouboe kam mit strahlendem Lächeln herein. Trotz seines fortgeschrittenen Alters hielt er sich gut. Sein sonnengebräuntes Gesicht verriet, dass er inzwischen mehr Zeit auf seiner Segeljacht als in seiner Arztpraxis verbrachte.
»Hallo, Maja, wir brauchen deine Hilfe. Sag mal, weinst du etwa?« Er schaute sie besorgt an.
Sie wischte sich rasch die Tränen weg. »Nein, nein, das ist nur die Zugluft.«
Sie lächelte Skouboe an und blickte zu den Beamten in Zivil hinüber, die ebenfalls in ihr Büro getreten waren.
»Du hast von Computern doch etwas mehr Ahnung als ich«, sagte Skouboe, was die Untertreibung des Jahres war. Skouboe schrieb alles mit der Hand. Die Sekretärinnen hatten anschließend die Aufgabe, seine Klaue zu entziffern und die Patientenakten im Computer zu vervollständigen.
»Vielleicht könntest du unseren Freunden von der Polizei ein bisschen behilflich sein.«
Die Beamtin gab Maja die Hand. »Polizeirätin Katrine Bergman.«
Maja erkannte sie sofort wieder, obwohl sie sich seit Ewigkeiten nicht gesehen hatten. Der kühle Blick, den Katrine Bergman ihr zuwarf, signalisierte, dass auch sie sich an Maja erinnerte. Doch keine von beiden ging darauf ein.
»Tom Schæfer, Kriminalkommissar«, sagte ihr Kollege und gab Maja ebenfalls die Hand.
»Was kann ich für Sie tun?«, fragte sie.
Katrine Bergman räusperte sich. »Wir ermitteln derzeit in einer Reihe von Mordfällen, in denen die Gerichtsmediziner bei den Opfern bestimmte Wirkstoffe nachweisen konnten. Daher würden wir unsere toxikologischen Befunde gern mit Ihren Patientenakten abgleichen.«
Maja verschränkte die Arme vor der Brust. »Das sind sehr private Daten.«
»Die richterliche Genehmigung liegt vor«, entgegnete Katrine Bergman.
Maja warf Skouboe einen fragenden Blick zu. Er nickte bestätigend, worauf sich Maja wieder an die Polizeirätin wandte. »Darf ich fragen, was Sie damit bezwecken?«
Der Blick von Katrine Bergman zeigte sehr deutlich, dass sie es nicht gewohnt war, solche Fragen zu beantworten, doch sie lächelte höflich. »Wir vermuten, dass der Täter seine Opfer mit Medikamenten vergiftet hat, die ihm selbst verschrieben wurden.«
Maja sah sie beunruhigt an. »Wollen Sie damit etwa sagen, dass einer unserer Patienten der Mörder ist?«
»Möglicherweise«, antwortete Katrine trocken.
Tom Schæfer lächelte beruhigend. »Wir untersuchen alle Arztpraxen und Notaufnahmen im ganzen Bezirk. Die Chance, dass wir gerade hier etwas finden, ist also nicht besonders groß. Dennoch müssen wir auf Nummer sicher gehen.«
Maja schaute zwischen den beiden hin und her. Sie sahen müde aus, als litten sie schon
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