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Die Geisel

Titel: Die Geisel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Katz Krefeld
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dachte an die Worte, die er ihr auf dem Gefängnishof hinterhergeschleudert hatte. Es hatte wie die Hirngespinste eines Geisteskranken geklungen, doch sie hatte die Entschlossenheit in seinen Augen gesehen. So krank seine Vorstellungen auch waren, so logisch waren sie innerhalb seines Wahnsystems. Er tat nichts unüberlegt. Er hatte sie auf den Bahngleisen einem Test unterzogen und dafür sein eigenes Leben riskiert. Irgendetwas sagte ihr, dass er sie anschließend zu Timmie geführt hätte. Fälschlicherweise hatte sie geglaubt, er wolle sich mit dem Jungen auf den Gleisen das Leben nehmen. Aber das war niemals sein Plan gewesen. Auf dem Gefängnishof hatte er gerufen, sie habe den Weg gefunden. Welcher Weg sollte das sein? Und die Sterne? Welche Sterne? Im Buch von Peter Pan stand, die Sterne hätten auf seinem Flug nach Nimmerland zu ihm gesprochen. Was hatten sie und die Polizei übersehen? Sie leerte ihr Glas und starrte ins Dunkel. Sie hatte keinen Zweifel mehr. Søren hatte sein Spiel fortsetzen wollen. Er hatte in Timmies Richtung gezeigt, ob er nun tot oder lebendig war. Søren kannte ihre Wege und wusste, wo sie sich aufhielt. Wenn er sagte, sie habe den Weg gefunden, musste dies ein Ort sein, an dem er sie schon mal gesehen hatte. Sie fragte sich, ob er die Klosterwiese meinte. Oder das Bahngelände? Oder Lasses Haus? Doch hatte er vom Weg zu dem hohen Haus gesprochen. Alle seine Opfer hatten in der Villengegend gewohnt. Dort gab es keine Hochhäuser.
    Ihr kamen nur zwei andere Möglichkeiten in den Sinn. Die eine war das Ärztehaus, in dem sie ihre Praxis hatte. Doch warum sollte er sie dorthin lenken wollen? Das schien ihr nicht sehr wahrscheinlich. Das andere Haus, an das sie dachte, ergab schon eher einen Sinn. Aber dort konnte sie nicht allein hinfahren.
    Sie fand die Visitenkarte, die Katrine ihr gegeben hatte, und wählte ihre Privatnummer. Es verging eine lange Zeit, bis sich endlich jemand meldete. »Hallo«, hörte sie eine schlaftrunkene Stimme.
    »Katrine, hier ist Maja. Ich glaube, Søren hat uns doch einen Hinweis darauf gegeben, wo Timmie versteckt ist.«
    Katrine seufzte auf. »Hast du denn nicht gehört, was ich gesagt habe? Es ist das Beste, dass du ihn so schnell wie möglich vergisst.«
    »Das werde ich auch tun. Nachher!«
    »Nach was?«
    Maja stand von ihrem Stuhl auf. »Timmie hat immer noch ein paar Stunden Geburtstag.«
    »Und?«
    »Die Sache ist also immer noch offen, oder?«
    »Woran denkst du?«
    »Es gibt da einen Ort, den ich gerne überprüfen würde. Und dazu brauche ich deine Hilfe.«
    Am anderen Ende der Leitung war es still. Maja hörte das Klicken eines Feuerzeugs. Es rauschte im Hörer, als Katrine den Rauch ausstieß.
    »Bist du wach genug, um dich gleich mit mir zu treffen?«, fragte Maja vorsichtig.
    »Bin schon unterwegs.«
     

37
    »Kannst du mir verraten, was wir hier wollen?«, fragte Katrine und stieg aus dem schwarzen Mondeo.
    Auf dem Parkplatz war es stockdunkel. Nur die Lichter der Ladenzeile erhellten die nächsten Stellplätze. Vor der Pizzeria stand eine Gruppe von Jugendlichen und veranstaltete einen ziemlichen Radau.
    »Søren hat gesagt, ich hätte den Weg bereits gefunden«, antwortete Maja und schloss den Mercedes ab.
    »Soweit ich mich erinnere, hat er so einiges gesagt.«
    »Den Weg zu dem hohen Haus. Zu seinem Haus. Sie blickte am Hochhaus empor, das vor ihnen lag. Auf dem beleuchteten Laubengang konnte man die Absperrbänder der Polizei erahnen, mit denen sie den Zugang zu Sørens Wohnungstür blockierten. Das Ende des Bandes hatte sich im Geländer verfangen und flatterte in der nächtlichen Brise.
    »Wir haben seine Wohnung schon auf den Kopf gestellt. Auch den Kellerraum. Weder von Timmie noch von den anderen Jungen haben wir DNS-Spuren gefunden. Wie kommst du darauf, dass Timmie trotzdem hier ist?«
    »Das glaube ich ja gar nicht. Aber ich bin davon überzeugt, dass Søren wollte, dass ich hierherkomme.«
    »Warum hat er das dann nicht einfach gesagt?«
    Maja zuckte die Schultern. »Weil er ein Spieler ist. Und weil er nicht wollte, dass ihr etwas damit zu tun habt.«
    »Ach ja, seine große Verschwörungstheorie«, sagte Katrine sarkastisch. »Also dann lass uns mal zu ihm raufgehen.« Sie nickte in Richtung des Gebäudes.
    Im Treppenhaus roch es nach Cannabis und Bierlachen. Sie betraten den Laubengang im ersten Stock, wo Sørens Wohnung lag.
    Aus einer der Wohnungen dröhnten laute Technobeats.
    Kurz darauf standen sie vor Sørens

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