Die Geisel
Wohnungstür. »Pädosau, stirb!«, war in großen Buchstaben auf die Tür gesprüht worden. Das Küchenfenster, das auf den Laubengang hinausging, war zertrümmert worden. Die ausgebleichte Gardine wurde sanft vom Wind erfasst.
Katrine zog ihren Schlüsselbund aus der Tasche und öffnete die Tür. Sie knipste das Licht auf dem Flur an. Maja folgte ihr nach drinnen. An den Kleiderhaken hingen ein paar Jacken. Darunter standen drei Paar Schnürschuhe an der Wand. Die Wohnung machte immer noch einen bewohnten Eindruck. Maja lief es bei dem Gedanken an seine Gegenwart kalt den Rücken hinunter.
Sie gingen ins Wohnzimmer. Maja wusste nicht, was sie erwartet hatte. Dennoch überraschte sie der Anblick.
»Habt ihr alles mitgenommen?«
»Nein«, antwortete Katrine. »So sah es schon aus, als wir die Wohnung das erste Mal betreten haben.«
Abgesehen von einem Buchregal, einem alten Fernseher und einem Sessel in hintersten Winkel war der Raum völlig leer. Weder irgendwelcher Krimskrams noch Bilder an den Wänden. Maja drehte sich um und betrachtete das Buchregal. Es war ein Montana-Nachbau mit quadratischen Fächern. Der oberste Teil wurde vollständig von Comics in Anspruch genommen, die nach einem peniblen System geordnet waren.
»Wir haben alle Hefte durchgeschaut, um zu prüfen, ob nicht irgendwas zwischen den Seiten steckt.«
Maja nickte.
»Wir haben auch sämtliche Videofilme beschlagnahmt. Vor allem Walt Disney und italienische Splatterfilme.« Katrine deutete auf die unterste, leere Reihe des Buchregals. Unsere technische Abteilung hat sich daraufhin angesehen, ob sie nicht mit Kinderpornos überspielt wurden.«
»Haben sie was gefunden?«
»Nein, nicht auf den Videobändern. Aber in einem abgeschlossenen Kasten im Küchenschrank haben wir Kinderpornos gefunden.«
Sie gingen in die Küche zurück. Der Pflasterstein, mit dem das Küchenfenster eingeworfen worden war, lag vor dem Schrank auf dem Fußboden. Katrine trat ihn beiseite, um die Tür öffnen zu können. Mit ihrer kleinen Maglite-Taschenlampe leuchtete sie den Schrank aus. »Hier stand der Kasten, in dem ein paar alte Kinderpornohefte waren. Hast du gewusst, dass bis 1980 der Erwerb von Kinderpornos in Dänemark erlaubt war?«
»Nein … Wie krank«, antwortete Maja und schüttelte den Kopf.
»In dem Kasten waren auch eine kleine Peitsche und ein Butt-Plug, aber die Spurentechniker haben darauf nur Sørens DNS gefunden.«
»In der Zeitung stand, dass er die Betäubungsmittel vielleicht selbst hergestellt hat.«
»Ja, ein paar davon. Wir haben ein kleines Chemielabor mit Reagenzgläsern und Bunsenbrenner gefunden. Auch mehrere Flaschen mit fertig zusammengemischten Präparaten. Deren chemische Zusammensetzung entsprach den Substanzen, die man bei den Opfern festgestellt hat.«
»Wo hat er die Ingredienzien her?«
Katrine schloss die Tür und steckte die Taschenlampe wieder in den Gürtelhalter. »Søren hat seine Frührente aufgebessert, indem er schwarz für eine Reinigungsfirma gearbeitet hat. Dort hat er sich mit einigen Chemikalien versorgt. Andere hat er sich vielleicht auf der Straße besorgt. Die Apparatur, die er benutzt hat, um seinen Opfern das Gift ins Gesicht zu spritzen, hatte er sich aus einem Blumenbestäuber und einer Spraydose selbst zusammengebaut. Beides hatte er an seinem Arbeitsplatz gestohlen.«
Maja sah Katrine nachdenklich an. »Hat er sich durch seine Arbeit auch Zugang zu seinen Opfern verschafft?«
»Bei Timmie nicht, aber sonst schon. Die Leute beschäftigen ja am liebsten Schwarzarbeiter. Solange es billig ist, kümmern sie sich nicht darum, wen sie in ihr Haus lassen.« Sie schüttelte den Kopf.
»Und ihr habt seine Wege und seinen Arbeitsplatz kontrolliert?«
Katrine nickte. »O ja. Ich bin selbst herumgefahren und habe mit sämtlichen Familien gesprochen, bei denen er geputzt hat.«
Sie gingen ins Wohnzimmer zurück und dann zur Tür, die ins Schlafzimmer führte. Maja öffnete sie vorsichtig und schaltete das Licht ein. An der hinteren Wand stand eine schmale Liege. Sie war tadellos bezogen. Rechts davon stand ein kleiner Kleiderschrank. Der Raum wirkte so steril wie ein Krankenhauszimmer.
Maja ging zum Kleiderschrank.
»Er hat eine Schwäche für weiße Hemden«, sagte Katrine, ehe Maja die Schranktüren öffnen konnte.
Katrine hatte recht. Auf den Kleiderbügeln hingen sieben weiße Hemden. Auf dem Boden des Schranks weitere sechs, die noch nicht ausgepackt waren.
»Habt ihr eine Erklärung
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