Die Geister, die mich riefen: Deutschlands bekanntester Spukforscher erzählt (German Edition)
Beratungsstelle habe ich gelernt, gelassen ans Telefon zu gehen. Nur durch Nachfragen und mit viel Erfahrung bin ich so weit gekommen, die Ereignisse, zumindest aus meiner Sicht, richtig einzuordnen. Zum Beispiel ist Geistererscheinung nicht gleich Geistererscheinung. Ein Fallbeispiel dazu aus meinem Archiv:
Bitte verstehen Sie, dass ich, ohne langes »Drumherum«, einfach damit beginnen möchte, wo mein respektive unser Problem liegt, da ich fast am Ende meiner Kräfte, meines Verständnisses und meiner Energie bin. Ich selber werde vom »Spuk«, von kurzen, nicht nennenswerten Unterbrechungen abgesehen, seit 27 Jahren verfolgt. Doch in den letzten drei Jahren, seit mein Sohn auf der Welt ist, kann man sagen, dass es unerträglich ist. Ich möchte allerdings nicht unerwähnt lassen, dass ich nicht unter Schizophrenie, Halluzinationen oder Wahnvorstellungen leide und dass meine Eltern bezeugen können, dass das, was ich Ihnen schreibe, der Wahrheit entspricht.
Seit mein Sohn, den ich selbstverständlich über alles liebe, auf der Welt ist, habe ich mit Phänomenen zu tun, die mein geistiges Fassungsvermögen übersteigen. Als er vielleicht zwei oder drei Monate alt war, fingen Gegenstände an, aus den Regalen zu »fallen«. Glühbirnen und Sicherungen brannten durch, und in seinem Kinderzimmer »holterte« und »polterte« es, sodass mein damaliger Ehemann die Flucht ergriff und wir uns scheiden ließen. Als mein Sohn etwa sechs Monate alt war und ich eines Morgens sein Zimmer betrat, waren sämtliche Möbelstücke verrutscht. In der Nacht wurde auf Kommoden und Schränke geklopft, die mehrere Meter von ihm entfernt waren und die er definitiv nicht erreichen konnte. In meiner grenzenlosen Naivität suchte ich zuerst Kinderärzte auf, gab dies jedoch auf, nachdem ich mir dachte, ich laufe Gefahr, dass man mich als »psychisch krank« in die Psychiatrie einliefern könnte.
Mein Sohn hat es schon fertiggebracht, ein Auto (Automatik-Schaltung) fahren zu lassen. Das war so abgelaufen, dass mein Freund mit meinem Sohn an einer Ampel stand, vor ihnen ein Lkw. Mein Sohn meinte, er wolle jetzt und sofort losfahren, und mein Freund erklärte ihm, dass dies nicht möglich sei: Ampel rot – Lkw vor ihnen. Daraufhin sagte mein Sohn: »Schieb ihn an, du kannst den Lkw doch anschieben.«
Mein Freund gab keine weitere Antwort, und plötzlich ging das Gaspedal des Autos nach unten, und der Wagen fuhr »von allein« los, schob sich in den Lkw, mein Freund stieg aus, beobachtete, wie sich sein Auto »von allein« zu Schrott fuhr, und mein Sohn saß hinten drin und lachte und freute sich. Der TÜV und das Qualitätsmanagement von Mercedes konnten keinen technischen Defekt finden und meinten süffisant, dass mein Freund wohl Gas und Bremse verwechselt hätte. Wir fragten meinen Sohn, ob vielleicht er dahinterstecke, und er meinte: »Ja, das ist doch kein Problem, das mache ich mit meinem Finger.«
Die Geschichte ist sehr gut erzählt und hat in gewisser Weise auch eine Pointe. Aber genau das macht mich stutzig. Ich kann nicht ausschließen, dass der Bericht von bestimmten filmischen Vorgaben inspiriert ist. Das passiert häufiger bei den Geschichten, die man mir erzählt, das heißt aber nicht notwendigerweise, dass die Leute es nicht erlebt haben. Die Frage ist nur, ob die nahegelegte Interpretation auf das Geschehen zutrifft.
Zunächst könnte man meinen: Aha, ein Kind zeigt übernatürliche Fähigkeiten, und die Eltern fürchten sich davor. Das Kind stellt sogar massiven Unfug an, indem es ein Auto zerstört. Die Szenerie kommt einem bekannt vor. Es gibt Horrorfilme wie Das Omen , in denen genau dieser Ablauf durchexerziert wird: Ein kleiner Junge entpuppt sich als Höllenbaby, das übernatürliche Kräfte entwickelt und Unheil anrichtet. Hier in diesem Fall geschieht kein großes Unheil, wenn man einmal vom Blechschaden absieht. Der Crash hat zwar nichts mit dem Teufel zu tun, aber es ist denkbar, dass es bei den Betroffenen gespukt hat. Womöglich hat es sogar mit dem Jungen zu tun, aber sehr wahrscheinlich ist das nicht.
In solchen Fällen muss man das Augenmerk auf die Deutung der Berichterstatter lenken. Wenn ein Bericht gleich eine »runde« Erklärung nahelegt, werde ich skeptisch. Im vorliegenden Fall werden einzelne Ereignisse wie in einem Film auf eine Wäscheleine gehängt, sodass am Schluss ein stimmiger Film entsteht.
Der amerikanische Autor Jan Harold Brunvand 39 hat in seinem in den Achtzigern
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