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Die Geister, die mich riefen: Deutschlands bekanntester Spukforscher erzählt (German Edition)

Die Geister, die mich riefen: Deutschlands bekanntester Spukforscher erzählt (German Edition)

Titel: Die Geister, die mich riefen: Deutschlands bekanntester Spukforscher erzählt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wagner , Walter von Lucadou
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aus.
    »Sind Sie denn mit dem, was Sie von Ihrer Tochter erfahren haben, zufrieden gewesen?«, fragte ich noch einmal.
    »Nein, das bin ich nicht«, sagte sie plötzlich und widersprach damit ihrer vorherigen Äußerung, dass die Tonbandstimme sie beruhigt habe.
    »Wenn ich es mir genau überlege, dann ist das nicht in Ordnung«, befand sie schließlich nach einer kurzen Pause.
    »Was ist nicht in Ordnung?«
    »Mit solchen hellseherischen Versuchen wollen die Menschen dem lieben Gott in die Karten schauen. Das gehört sich aber nicht«, sagte sie und erklärte mir dann, dass sie sich nach dem Tod ihrer Tochter der Kirche zugewandt habe.
    »Bis heute habe ich keinen weiteren Versuch unternommen, mit meiner Tochter Kontakt aufzunehmen.«
    »Vielleicht ist das gut so.«
    »Auf jeden Fall«, sagte sie. Sie schien mir ihrer Haltung sehr sicher zu sein. Sie schien außerdem in der Kirche eine Stütze gefunden zu haben. Ich überlegte, ob ich noch einmal zu einer Erklärung ansetzen sollte, ließ es dann aber bleiben.
    »Bitte melden Sie sich noch einmal, wenn Sie wieder reden wollen«, sagte ich.
    Wir beendeten das Gespräch – ohne dass wir wirklich über den Grund für das Tonbandhören gesprochen hatten.
    Etwa vier Wochen später klingelte das Telefon, die Frau meldete sich erneut bei mir.
    »Sie haben mir neulich meine Frage nicht beantwortet«, sagte sie ohne lange Vorrede.
    Ich hatte keine Ahnung, worauf sie anspielte.
    »Ich wollte von Ihnen wissen, ob ich wirklich meine Tochter aus dem Jenseits gehört habe.«
    Ich musste unwillkürlich lächeln. Ich sah ein, dass ich der Antwort nicht würde ausweichen können, und erklärte ihr, dass man nicht beweisen könne, ob da wirklich ihre Tochter gesprochen habe oder nicht, dass ich persönlich es aber nicht glaubte. Ich erklärte das wahrnehmungspsychologische Phänomen hinter dem Tonbandstimmenhören.
    »Dieser Theorie zufolge«, sagte ich ihr, »ist es vollkommen klar, dass Sie in einer Ausnahmesituation die Stimme Ihrer Tochter hören.« Ich erklärte, dass nichts Schlimmes dahinterstecke, dass man Tonbändern aber keine Beweise für ein Leben im Jenseits ablauschen könne.
    Dann geschah etwas, was mich verblüffte.
    »Endlich«, sagte die Frau und seufzte. »Sie sind der Erste, der mir darauf eine richtige Antwort gibt.«
    »Wie meinen Sie das?«, fragte ich zurück.
    »Ich glaube auch nicht, dass ich Kontakt zum Jenseits gehabt habe.«
    Die Menschen, denen die Frau von der Botschaft ihrer Tochter berichtet hatte, haben sie offenbar einfach in dem Glauben gelassen und ihr aus Pietät oder aus Desinteresse nicht widersprochen. Dennoch spürte sie unbewusst, dass die wahrgenommene Stimme keinen Beweis darstellte. In der Trauer nach dem Unglück war diese spiritistische Vorstellung, mit der Tochter im Jenseits zu sprechen, für sie ein Notanker, ein Strohhalm, nach dem sie gegriffen hatte. Ich behaupte, dieser Strohhalm hat sie gerettet. Zumindest fürs Erste. Ihre Tochter hatte ihr »gesagt«, dass sie damals bei dem Unfall keinen Fehler gemacht hatte. So konnte sie die Schuld, die sie sich selbst gab, besser verarbeiten. Eine Zeit lang war die Vorstellung von der Tochter auf dem Tonband daher nützlich für sie. Sie fand sich damit nach dem Tod ihrer Tochter in der Welt besser zurecht – in dem Glauben, dass es der Tochter dort im Jenseits immerhin so gut ging, dass sie mit ihr sprechen konnte. Mit der Zeit aber wurde ihr die Vorstellung von Toten, die auf Tonbändern zu uns sprechen, zur Last. Sie erkannte, dass sie in der Trauerzeit an etwas wahrscheinlich Unmögliches geglaubt hatte. Aber war das verurteilenswert, wenn es ihr bei der Trauer geholfen hatte?
    Ich glaube, es ist ein Irrtum, zu denken, Überzeugungen könnten sich nicht verändern. Unsere Sicht auf die Welt ist von der Situation abhängig, in der wir uns befinden. Wenn wir uns die Mühe machen und genau darauf achten, wie wir denken und glauben, werden wir feststellen, dass sich unsere Vorstellung vom Tod oder unsere Einstellung zu philosophischen Fragen im Lauf des Lebens immer wieder ändert. Wenn wir verliebt sind, ist die Welt rosarot, und wir sind optimistisch und tatkräftig. Wenn wir trauern, fehlt uns jede Kraft, und wir sehen keinen Sinn mehr. Stimmungen spielen bei der Beurteilung von Menschen, die mir von paranormalen Phänomenen berichten, eine wichtigere Rolle, als man gemeinhin annimmt.

12. Kapitel:
    Legende oder Wirklichkeit?
    In den vielen Jahren meiner Arbeit in der

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