Die Geister, die mich riefen: Deutschlands bekanntester Spukforscher erzählt (German Edition)
Wahrträumen richtig umzugehen. Ich nenne sie »Bildergalerie«. Wenn Sie festgestellt haben, dass Sie häufiger von etwas träumen, das dann auch eintritt, dann sollten Sie Ihre Träume sofort nach dem Aufwachen aufschreiben, so präzise wie möglich. (Sie vermeiden damit außerdem, dass Sie sich hinterher nur einbilden, Sie hätten eine Begebenheit zuvor geträumt.) Das ist der erste Schritt. Der zweite Schritt: Versuchen Sie, alles zu notieren, was Ihnen als Deutung einfällt für das, was im Traum vorkommt. Angenommen, Sie träumen, Ihr Cousin liege in einem Sarg. Der Traum erschüttert Sie, weil Sie sehr an ihm hängen. Nun wachen Sie auf, in dem Wissen, dass Sie schon früher Wahrträume hatten. Sie sortieren sich, notieren den Traum und die erste naheliegende Interpretation: Es könnte sein, dass Ihr Cousin sehr bald stirbt. Das ist das erste Bild, das Sie sich gedanklich an die Wand hängen. Was aber, wenn das archetypische Bild, wie Jung es nennt, symbolisch gemeint war? Vielleicht bekommen Sie Krach mit dem Cousin und sagen ihm, er sei für Sie gestorben? Dann könnte man den Traum auch so interpretieren; das wäre ein zweites mögliches Bild. Oder will der Cousin in eine andere Stadt ziehen? Will er eine Beziehung eingehen, über die die Verwandtschaft entsetzt ist? Für jede Interpretation können Sie ein Bild an Ihre imaginäre Wand heften. Und hängen Sie sich ruhig noch einen leeren Rahmen in Ihre Bildergalerie; der ist für die Interpretation, die Ihnen noch nicht eingefallen ist. Aus jeder Sichtweise resultiert eine mögliche Handlungsanweisung. Ist es wirklich an der Zeit, Ihren Cousin endlich zu besuchen, weil er stirbt? Ist es an der Zeit, sich bei ihm zu entschuldigen, weil Sie ihn beleidigt haben? Ist es an Ihnen, der Familie die Vorteile der neuen Beziehung vor Augen zu führen? Braucht er vielleicht Hilfe beim Umzug?
Der Fall ist, wie die Bildergalerie, nur ein Beispiel. Aus jedem Bild, jeder Interpretation resultiert aber eine Anregung dafür, Ihre Sichtweise zu verändern. Sie erweitern im Blick auf Ihren Cousin Ihren Horizont.
Die Wahrträume sind eine Quelle der Kreativität und der Orientierung. Sie warnen, inspirieren und schützen. Wenn jemand stirbt, ist das immer schockierend. Früher oder später ereilt der Tod jeden, und wenn ich mich darauf vorbereiten kann, dass geliebte Menschen sterben werden, lerne ich auf gewisse Weise, damit umzugehen.
Aber ist der Frau mit den geträumten Motorradunfällen und dem Mädchen, das mir geschrieben hat, damit geholfen? Schließlich handelt es sich um entsetzliche Träume.
Wenn ein Traum der jungen Frau zweimal auf so tragische Weise wahr wurde, dann wird es wohl auch ein drittes Mal stimmen. Daher erscheint es plausibel, den Rat zu geben, dass sich der junge Mann das Motorrad auf keinen Fall kaufen soll. So würde der Laie argumentieren oder ein Freund, der es gut meint und der Wahrträume nicht von vorneherein ablehnt.
Ein Psychologe wäre vielleicht der Auffassung, man müsse zunächst analysieren: Warum hat sie diese Angst? Warum träumt sie das? Die junge Frau würde hören, sie habe womöglich Bindungsangst oder sei eifersüchtig, betrachte vielleicht das Motorrad als Nebenbuhlerin.
Wenn wir generell davon ausgehen, dass solche Träume Fantasien sind, wäre das ein großer Fehler. Darum kann es nicht nur um eine psychologische Analyse der jungen Frau gehen. Die eigentliche Frage ist geradezu mathematischer Natur und lautet: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Traum ein weiteres Mal erfüllt? Gut gemeinte Ratschläge, die Frau solle sich von dem Freund trennen, weil er ihre Sorge nicht versteht, wären fehl am Platze. Warum soll es nicht liebenswerte Motorradnarren geben, die auch noch vorsichtig fahren können? Es ist nicht meine Aufgabe, mich hier einzumischen; eine nüchterne Analyse ist gefragt.
Natürlich ist die Frau durch die früheren Erlebnisse traumatisiert. Damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass sie nach der Ankündigung ihres Freundes, sich ein Motorrad zu kaufen, in Panik gerät und Träume von Motorradunfällen hat.
Auf der anderen Seite wissen wir von unseren Experimenten, dass Präkognition kein zuverlässiges Signal darstellt, sondern eine Verschränkungskorrelation. Das bedeutet, dass wir immer erst hinterher entscheiden können, wie der Traum gemeint war!
Außerdem kommt hinzu, dass Verschränkungskorrelationen die Eigenschaft haben, sich genau in dem Moment zu verändern, in dem man sie
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