Die Geister, die mich riefen: Deutschlands bekanntester Spukforscher erzählt (German Edition)
Fensterscheiben. Bei mir sind viele Glasscheiben kaputtgegangen, die Bettgestelle sind restlos kaputt, Wohnzimmerschrank, Schlafzimmerschrank, Schuhschränke sind schwer lädiert. Telefon, Taschenlampen und einige Schmuckstücke sowie der Wecker sind total kaputt. Wahrscheinlich hört das von allein auch nicht auf. Deshalb möchte ich Sie dringend bitten, sich baldmöglichst mit diesen Vorgängen hier bei mir zu befassen, denn es ist nervlich kaum noch auszuhalten; meine Frau ist schon schwer angegriffen.
Gerade als ich vom Telefon und von den Taschenlampen lese, läutet das Telefon in meinem Büro. Ich zucke zusammen, denn das Läuten durchbricht recht jäh die Stille im Haus, und draußen dämmert es. Ich knipse die Schreibtischlampe an. Jetzt will ich nicht ans Telefon. Ich ignoriere das Läuten und lese den zweiten der beiden kurzen Spukfälle:
Ich weiß gar nicht, ob ich bei Ihnen richtig bin, aber vielleicht können Sie mir ja weiterhelfen. Wir haben hier vor circa drei Jahren ein Haus gekauft, das um 1800 gebaut und im Laufe der Jahre immer wieder renoviert wurde. Im ersten Jahr fiel uns nichts auf, aber nach geraumer Zeit passierten merkwürdige Dinge hier im Haus. Es fing damit an, dass ich dachte, meine Tochter, die direkt über mir wohnt, würde nachts öfter zur Toilette gehen. Nachdem ich sie darauf ansprach, sagte sie mir, dass sie nachts nie aufstehen muss, um aufs Klo zu gehen.
Da fiel mir auch auf, dass ich die Schritte immer nur zur Tür hin, aber nicht zurück gehört habe. Im Wohnzimmer nebenan, wo ich 14 Tage schlafen musste, war noch viel mehr los. Sehr viele Schritte und Bewegung. Mein Sohn, der früher oben geschlafen hat, schläft mittlerweile nur noch unten, nachdem ihm nachts sämtliche Glühbirnen durchgeknallt sind, als er das Licht anmachen wollte. Meine Mutter, die in dem Zimmer meines Sohnes übernachtete, wachte nachts auf, weil alle Lichter – Deckenbeleuchtung und Nachttischlampe – strahlend hell an waren.
Dann passierten Dinge, wie dass der Fernseher von allein an- oder ausging; dass CDs hinter dem Rücken meiner Tochter, als sie gerade dabei war, sich die Haare zu föhnen, entlangrollten oder ohne Grund aus der Hülle fielen. Meine andere Tochter sieht in ihrer Wohnung (die liegt über der Ferienwohnung) immer einen kleinen Jungen und im Bad einen älteren Mann.
Das mit dem Jungen bestätigen die Feriengäste, denn sie hören nachts leichte Schritte, wie von einem Kind. Die Wohnung wird aber nur am Wochenende benutzt. Je länger wir hier wohnen, um so dreister werden sie. Wir haben mal vorsichtig bei den Nachbarn angefragt, ob sie etwas wüssten, und sie sagten uns, es ist allgemein bekannt, dass es hier spukt.
Das Haus ist aber nicht »böse« und auch unsere »Untermieter«, die vor uns da waren, lösten keine Angst in uns aus.
Können Sie uns ein paar Worte dazu sagen oder uns weitere Adressen geben, wo man sich erkundigen kann, wie man damit umgeht oder wie man sie dazu bringt, damit aufzuhören?
Es läutet wieder, als ich den Kugelschreiber für die Notizen zur Hand nehme. Ich widerstehe dem Drang, den Hörer abzunehmen. Dann hört das Läuten auf. Ich lege den Kugelschreiber hin und hole mir die Notizen zu meinem Spukmodell, das ich nach der Analyse vieler Fälle entwickelt habe. Man kann den Spuk heute einigermaßen gut beschreiben. Er spielt sich normalerweise in vier Phasen ab – und genau diese vier Phasen erkläre ich den Menschen, die mir von einem Spuk schreiben. (Obwohl beim zweiten Fall, den ich während des vorigen Telefonklingelns gelesen habe, auch Erscheinungen mit in die Wahrnehmung hineinspielen.)
Zuerst kommt beim Spuk die »Überraschungsphase«. Diese Phase ist dadurch gekennzeichnet, dass etwas passiert, was man nicht versteht. Die Leute sind aufgeregt und denken: Was ist denn da los? Sie denken, es handle sich um eine technische Störung, der Nachbar spiele ihnen einen Streich oder es gebe Marder im Gebälk. Aber dann fangen sie an, das Ereignis näher zu untersuchen, und sie stellen fest, dass weder Marder noch Nachbar verantwortlich sein können. Irgendwann kommt die Polizei, und man stellt fest, dass man immer noch nicht weiterweiß. In dieser Phase weiß noch niemand, worum es genau geht. Die Überraschungsphase ist so etwas wie ein großer Theaterdonner. Es wird kräftig auf die Pauke gehauen, das Spiel beginnt, die Phänomene sind am ausgeprägtesten.
Dann folgt als zweite die »Verschiebungsphase«. Die Leute beginnen, einen
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