Die Geister, die mich riefen: Deutschlands bekanntester Spukforscher erzählt (German Edition)
untersuchen.
Schließlich muss man noch berücksichtigen, dass der Spuk immer etwas mit einer Fokusperson zu tun hat. Den ortsgebundenen Spuk können immer nur bestimmte Menschen wahrnehmen. Wer einen Spuk im Haus hat, sollte in sich gehen: Trage ich unbewältigte Probleme mit mir herum? Will der Spuk mir etwas sagen? Welches Problem könnte er »widerspiegeln«? Wenn man ihn in dieser Weise versteht, hat man ihn gewissermaßen erlöst.
Es ist wichtig, dass man damit nicht zu lange wartet, sonst kann der Spuk einem nämlich »auf die Pelle« rücken. Das heißt, dass er sich schließlich doch zu einer echten psychosomatischen Erkrankung auswächst. Hier gibt es auch Übergänge zu einer Reihe von »Umwelterkrankungen«, wie »Elektro-Sensitivität«, »multiple Chemikalienunverträglichkeit« und das Verhexungssyndrom. 43
Ein Beispiel für die erwähnte Erlösung vom Spuk ist die Frau, die mich seinerzeit aus dem Badischen anrief. Gemeinsam mit ihrem Mann hatte sie ein mittelalterliches Haus in einem kleinen Dorf gekauft, restauriert und dann als Wirtshaus eröffnet. Als sich die Frau bei mir meldete, waren die beiden Ende zwanzig und hatten ein gemeinsames Kind. Das Kind spürte den Spuk zuerst.
»Immer wenn ich sie im Arbeitszimmer zum Mittagsschlaf hinlegte, fing sie an zu schreien, dass man es nicht aushalten konnte«, erzählte mir die verzweifelte Mutter. »Sie gab keine Ruhe, bevor ich sie nicht woanders zum Schlafen hinlegte. Sogar unser Hund wollte nicht mehr in das Arbeitszimmer gehen. Eines Abends dann ging mein Mann an der Kellertür vorbei und blieb abrupt stehen. Ich sah ihn von der Küche aus und fragte: ›Was ist?‹
›Hörst du das auch?‹, fragte er. ›Die Bierfässer?‹
Ich ging zu ihm hin und hörte wirklich ein Geräusch, als würden Bierfässer gerollt.«
»Hatten Sie zu dem Zeitpunkt denn schon welche?«, fragte ich.
»Ja«, sagte die Frau. »Aber als wir runterkamen, waren alle an ihrem Platz. Haben Sie eine Idee, was wir dagegen unternehmen sollen?«
Es schien sich um Erscheinungen oder um einen leichten Spuk zu handeln, weshalb ich nicht sonderlich beunruhigt war. Ich bat die Frau, sie möge in der Nacht ein Tonband und, wenn vorhanden, eine Videokamera aufstellen. Tatsächlich hatten sie und ihre Familie daraufhin ruhige Nächte. Eines Morgens aber meldete sich die Frau wieder. Sie war außer sich und berichtete, dass in der Küche jemand ein Messer nach ihr geworfen habe.
»Es steckt noch in der Wand«, erzählte sie mit bebender Stimme.
In der Zwischenzeit hatte sich der Mann im Ort nach der Vergangenheit des Hauses erkundigt. Ihm wurde von einem geheimen Gang mit Skeletten erzählt. Es handele sich dabei um Opfer aus dem Dreißigjährigen Krieg, die man, so sagte ein Dorfbewohner, nur ordentlich bestatten müsse, dann gebe sich der Spuk von allein. Der junge Wirt schien die Geschichte geradezu in sich aufzusaugen. Er behauptete, einen Ritter in Rüstung in seinem Haus gesehen zu haben. Nur aus den Augenwinkeln. Beide berichteten von leuchtenden Bällen, die nachts durchs Haus schwebten.
Ich wurde neugierig und ließ mich schließlich dazu überreden, die beiden aufzusuchen.
Die Stimmung im Wirtshaus war seltsam aufgeheizt. Gäste erzählten von einem Tablett mit Gläsern, das auf dem Tresen gestanden habe und hochgehoben worden sei, um schließlich zu Boden zu fallen. Die Frau zeigte mir das Messer in der Küchenwand. Ich erklärte ihr Teile meines Spukmodells und die Annahme, dass es Fokuspersonen gebe, die Probleme in ihrer Umwelt verarbeiteten.
»Keine Chance. In unserer Familie ist alles in Ordnung«, sagte sie mir an einem Tisch in der Wirtschaft.
Mir fiel auf, dass vor allen Dingen sie von den Phänomenen berichtete. Der Mann schien ihre Wahrnehmung nicht zu teilen oder immer erst im Nachhinein zu bestätigen. Der Spuk, das wurde mir bewusst, war so etwas wie die Aufforderung an den Mann, doch bitte schnell nach Hause zu kommen. Er arbeitete im Nachbardorf in einer Firma. Er bekannte, dass er eigentlich mit seiner Frau im Wirtshaus arbeiten wolle, dass er aber ein schlechtes Gewissen hätte, wenn er den anderen Job kündigen würde.
»Das stimmt«, bestätigte die Frau, als ich sie auf die Probleme in der Lebenssituation und in ihrer Beziehung ansprach. »Er fehlt hier nicht nur wegen der Arbeit – er fehlt mir vor allem einfach«, sagte sie. »Ich bin vielleicht ein bisschen zu anhänglich.«
Ich nickte vorsichtig. Sie selbst hatte sich die Antwort gegeben,
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