Die Geliebte des Koenigs
jemand anders spielen. Aber nicht mit ihr. Nein, sie war nicht eine seiner Dienerinnen – und sie würde nicht gesprungen kommen, wenn er rief.
Jesslyn straffte die Schultern und wollte gerade umkehren, als Sharif sie erblickte und zu sich rief. „Bitte, komm her, Jesslyn. Ich brauche dich.“
Ich brauche dich.
Seufzend ging sie zu Sharif und ließ sich neben ihm in den Sand sinken. Sharif deutete mit einem Kopfnicken auf Takia, die Brustschwimmen übte und ihnen dabei ihre kleine runde Kehrseite zuwandte.
Die Rückseite von Takias Schenkeln war dunkel verfärbt.
Zuerst dachte Jesslyn, die Palmen würden Schatten auf die Beine der Kleinen werfen. Doch plötzlich wurde ihr bewusst, dass es sich um Blutergüsse handelte.
Sie hob den Kopf und sah Sharif an. Mühsam versuchte sie, die Fassung zu bewahren.
„Siehst du, was ich sehe?“, fragte er rau.
Jesslyn nickte.
„Was ist das?“
Jesslyns Blick wanderte wieder zu den Blutergüssen und Kratzern auf Takias kleinen Beinchen. „Striemen und blaue Flecke“, entgegnete sie heiser. „Sie ist tatsächlich geschlagen worden.“
„Das war mehr als eine Tracht Prügel. Man hat sie misshandelt.“
11. KAPITEL
„Würdest du bitte hierbleiben und auf meine Kinder aufpassen?“ Sharif sah sie mit zornig funkelnden Augen an. „Ich muss mit Mrs Frishman sprechen.“
Jesslyn schluckte. „Du hast sie im Verdacht?“
„Ich habe sie vom ersten Tag an nicht leiden können und hätte sie nie im Palast dulden dürfen.“
„Geh nur“, erwiderte sie. „Die Kinder sind bei mir gut aufgehoben.“
Sharif nickte. „Das weiß ich.“
Jesslyn sah Sharif hinterher, bis er aus ihrem Blickfeld verschwunden war. Dann widmete sie ihre Aufmerksamkeit wieder den Kleinen. Sie beobachtete die Mädchen, die fröhlich im Wasser spielten.
Schließlich nahm sie all ihren Mut zusammen. „Takia, bist du hingefallen?“, fragte sie so beiläufig wie möglich. „Ich sehe da ein paar Verletzungen an der Rückseite deiner Beine.“
Saba tauchte neben Jesslyn auf und schüttelte sich das Wasser aus dem Haar. „Sie ist bestraft worden“, erklärte sie rundheraus.
Mit großen ängstlichen Augen sah Takia Jesslyn an.
„Warum bist du bestraft worden?“
Die Kleine starrte ihre Lehrerin nur wortlos an.
„Sag es ihr!“, forderte Jinan mit gepresster Stimme. „Und sag ihr auch, warum.“
Takia runzelte ihre runde Stirn. Tränen schimmerten in ihren dunklen Augen. „Ich bin schlecht“, wisperte sie.
„Du bist nicht schlecht“, widersprach Jesslyn ihr mit fester Stimme und versuchte, ihren Schock zu verbergen. Was um alles in der Welt hatte dieses kleine Kind verbrochen? Hatte Takia vielleicht etwas kaputt gemacht? Oder irgendetwas gestohlen? Oder gelogen?
„Doch, ich bin schlecht“, wiederholte Takia. Langsam stieg sie aus dem Wasser und baute sich vor Jesslyn auf. „Ich tue schlechte Dinge.“
„Was für schlechte Dinge?“
„Ich …“ Die Kleine senkte beschämt den Kopf. „Ich ruiniere mein Bett.“
Sie ruinierte ihr Bett?
Zunächst verstand Jesslyn gar nicht, was sie damit meinte. Doch dann dämmerte es ihr. Lieber Himmel! Sie meinte, dass sie ins Bett gemacht hatte. Ein kalter Schauer lief über Jesslyns Rücken. Sie konnte es nicht fassen, dass jemand ein fünfjähriges Kind dafür bestrafte, dass es ins Bett gemacht hatte.
„Wer hat dir das angetan?“, fragte sie ruhig. Den Schmerz in ihrer Stimme konnte sie kaum verbergen.
„Das war Jaddah “, antwortete Jinan für ihre Schwester.
Ihre Großmutter? Sharifs Mutter?
Jesslyns Gedanken überschlugen sich beinahe. Sie wusste, dass Reyna konservativen Werten anhing, die eine sehr strenge Kindererziehung befürworteten. Aber ein kleines Kind grün und blau zu schlagen? „Nicht Mrs Frishman?“, vergewisserte sie sich vorsichtshalber noch einmal.
Alle drei Mädchen schüttelten den Kopf. „Wenn Takia nicht aufhört, so etwas zu machen, kann sie nicht mit uns nach England zurück“, erklärte Saba. „Und Jaddah sagt, wir müssen wieder ins Internat.“
„Aber warum?“
Traurig hob Saba die schmalen Schultern. „Unser Vater heiratet im September wieder.“
Also waren auch die Kinder über die bevorstehende Hochzeit informiert. Damit stand fest, dass Sharif nicht ehrlich zu ihr gewesen war. Er hatte mit ihr geschlafen, obwohl er wusste, dass er in wenigen Monaten einer anderen das Jawort geben würde.
Der Schock traf sie mit der gleichen Wucht wie vor neun Jahren, als Königin Reyna sie in ihrem
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