Die Geliebte des Normannen

halten zu dürfen. Umgeben von ihren Brüdern und stolz ihren Sohn haltend, blickte Mary auf ihren Gemahl. Er lächelte ihr zu, und sie lächelte zurück.
    Mary war erschöpft. Sie zog sich in das Gemach zurück, das sie mit Stephen teilte, und war froh, für eine Minute allein zu sein. Ihr Kopf war voller wunderbarer, festlicher Bilder von ihrer und Stephens Familie, wie sie sich beim Festmahl unten im Saal vergnügt hatten. Es war wirklich eine wunderschöne Heimkehr gewesen.
    Sie legte das schlafende Baby in die Wiege neben dem Bett. Tränen traten ihr in die Augen. Sie fühlte sich überwältigt von der Liebe zu ihrem Sohn und zu ihrem lieben, ihrem geliebten Gemahl.
    Jetzt wusste sie, dass dieser Besuch weit mehr war als nur ein Familientreffen. Sie hatte sehr wohl bemerkt, wie brüderlich sich Stephen gegenüber Edgar, Alexander und Davie verhalten hatte, und war dankbar dafür. An diesem Tag war eine Botschaft übermittelt worden: Stephen hatte die Verantwortung für das Wohlergehen ihrer Brüder übernommen. Und nun war ihr, ohne dass man es ihr sagen musste, klar, dass sie es in der Tat versäumt hatte, ihm zu vertrauen. In ihrem Herzen wusste sie, irgendwann würde die Zeit kommen, wenn Stephen sein Versprechen gegenüber Malcolm erfüllen würde: Eines Tages würde er Edgar auf den schottischen Thron setzen. Sie hatte keinen Zweifel daran.
    Dann bemerkte sie, dass sie nicht allein war. Sie drehte sich um und blieb reglos stehen.
    In der Türöffnung stand Stephen, eine Rose in der Hand. Eine einzige, vollkommene, kurzstielige Rose.
    Mary trat zu ihm, beinahe ängstlich, sie zu berühren, ihn zu berühren. Dieser große, machtvolle Mann, der ihr eine rote Rose zum Geschenk machte – es war ein Anblick, der zu schön war.
    »Stephen«, flüsterte sie, und dieses Mal war ihre Liebe so groß, so überwältigend, dass es beinahe schmerzte. Nun verstand sie, dass es ohne Schmerz nie eine so große, so wunderbare und verzehrende Liebe geben konnte.
    »Sie wird dich nicht mehr stechen, mein Herz«, sagte er leise, »denn ihre Dornen sind entfernt.«
    Durch den Schleier ihrer Tränen hindurch lächelnd, nahm Mary überwältigt die Rose in Empfang.
    »Ich halte immer mein Wort«, sagte Stephen.
    Sie drückte die Rose an ihre Brust. »Ich weiß.«
    »Ich habe vor, mein Versprechen gegenüber deinem Vater zu erfüllen, Mary. Eines Tages wird Edgar Schottlands König sein.«
    »Ich weiß auch das.« Sie begann zu weinen. Stephen vertraute ihr, und das war das größte Geschenk, das er ihr neben seiner Liebe machen konnte, und er machte es ihr vorbehaltlos, seit er nach Kinross gekommen war.
    »Ich gehöre dir, Mary«, sagte er feierlich.
    »Ich weiß auch das«, flüsterte sie. Macht, Reinheit, Adel und Leidenschaft – das Versprechen der Rose. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn. »Vielen Dank, Mylord.«
    Und er schloss sie in seine Arme.

Anmerkungen der Autorin
    Anmerkungen der Autorin
    Chronologie der historischen Ereignisse
    1058 bis 1093 Malcolm III. (Malcolm Canmore), König von Schottland
    1066 bis 1087 William I. (Wilhelm der Eroberer), König von England und Herzog der Normandie
    1070 Lanfranc wird zum Erzbischof von Canterbury ernannt.
    1072 Malcolm III. wird gezwungen, Wilhelm dem Eroberer in Abernathy die Lehnstreue zu schwören; Duncan wird als Friedenspfand an den englischen Hof geschickt.
    1079 Malcolm III. fällt in England ein, schafft es nicht, seine Grenze nach Süden vorzuschieben und wird erneut zum Lehenseid gezwungen.
    1087 bis 1100 William II. (Rufus der Rote), König von England
    1088 Aufstand normannischer Barone unter Führung von Odo von Bayeux, dem Grafen von Kent; er wird niedergeschlagen, Odo verbannt, seine Ländereien eingezogen.
    1089 Tod Lanfrancs, der Stuhl des Erzbistums Canterbury bleibt vier Jahre lang vakant.
    1089 William II. erhebt Anspruch auf die Normandie und führt dort mit einigem Erfolg einen Feldzug durch.
    1091 Malcolm III. wird gezwungen, William II. in Abernathy die Lehenstreue zu schwören.
    1092 William II. erobert Carlisle und vertreibt den lokalen Herrscher.
    1093 Anselm von Bec wird Erzbischof von Canterbury.
    13. November 1093 Malcolm III. wird von den Streitkräften des Grafen von Northumberland bei Alnwick getötet; Edward wird tödlich verwundet.
    16. November 1093 Königin Margaret stirbt in der Burg von Edinburgh. Donald Bane greift Edinburgh Castle an; seine Neffen fliehen, nehmen ihre tote Mutter mit, begraben sie in Dunfermline und