Die Geliebte des Piraten
erreichen, bevor Dunfee dort eintraf. Raiden dachte noch immer darüber nach, was Barkmon in Syriam wollte. Mit den Soldaten. Und was war in diesen nicht gekennzeichneten Fässern gewesen? Gewürze und Sämereien wurden normalerweise in Fässern transportiert, die eine Kennzeichnung tragen mussten, um so zu verhindern, dass sie unter Umgehung des Handelsmonopols der East India Company aus Indien ausgeführt wurden. Raiden lächelte selbstironisch. Er hatte auch eine Kiste mit Nüssen im Schiffsrumpf gelagert, aber sie zum Keimen zu bringen, war unmöglich. Dennoch waren Barkmons Anwesenheit in Syriam und die ungewöhnlich große Zahl von Schiffen im Hafen ein Grund zur Besorgnis.
»Lasst das Handlog zu Wasser«, befahl Raiden, und die Männer ließen die mit den Knotenmarkierungen versehene Leine ins Wasser abspulen. Raiden wollte die Position bestimmen, denn er musste wissen, wo genau sie waren. Den Fuß gegen die Reling des Achterdecks gestützt, starrte er in das schwarze Wasser, das hinter der Renegade aufschäumte. Seine Gedanken wanderten wieder zu Willa. Er musste mit jemandem über die Situation – oder besser über die Wendung, die die Dinge genommen hatten – sprechen, denn sein Gefühl sagte ihm, dass Willa noch andere Überraschungen für ihn bereithielt.
»Verdammt«, fluchte er und rieb sich das Kinn. Er hatte sie sofort nachdem sie an Bord gegangen waren in die Kabine gebracht und seither nicht mehr gesehen. Raiden wollte es auch gar nicht. Ein Blick in ihre enttäuschten Augen, und er würde erneut daran erinnert werden, was er verloren hatte.
»Ich weiß, dass du keine Plaudertasche bist, aber du hast kaum ein Wort gesagt, seid du wieder an Bord bist«, sprach Tristan ihn an. »Und jeder, der Augen im Kopf hat, kann sehen, dass mit Mistress Delaney etwas nicht stimmt.«
»Peachwood«, korrigierte Raiden ihn ohne aufzuschauen.
Tristan machte große Augen. »Du meinst … wie Eastwick?«
Raiden nickte.
»Ich kann sie mir nicht vorstellen mit diesem – diesem Schweinehund von einem …«
Raiden richtete sich auf und zog die Augenbrauen hoch, als er den Freund ansah. »Du bist ihm begegnet?«
Tristan schüttelte den Kopf. »Mein Cousin zweiten Grades ist von diesem Kerl verleumdet worden. Und ich bin überzeugt, dass Eastwick es aus kalter Berechnung heraus getan hat. Es ging um irgendeine Abstimmung im Parlament, und mein Onkel hat dabei mit seiner Entscheidung einige der anderen Mitglieder beeinflusst, die dann gegen Peachwood gestimmt haben.«
»Hm«, war alles, was Raiden dazu äußerte.
»Kahlid sagte, in Syriam hätte es Ärger gegeben?«
»Ja, Barkmon war dort und hat ihre Ladyschaft erkannt. Und die Persephone lag im Hafen.«
Tristans Augenbrauen schossen hoch. »Dann hat Pendergast also gelogen.«
Raiden schaute in die Nacht hinaus. »Oder wir sind einfach zu früh dran – oder zu spät. Man hat es beim Segeln eines Schiffes schließlich nicht mit einer exakten Wissenschaft zu tun.« Aber was war mit dem Schwesterschiff der Persephone, und wohin war es gesegelt? Und warum war die Persephone in Syriam?
»Und dann wäre da auch noch die Queens Regard auf ihrem Weg nach Malakka.«
Raidens Kopf fuhr herum. »Hast du sie gesehen?«
»Ich weiß, dass sie in der Nähe der Meerenge ist. Killgaren hat es ausspioniert.«
Bei der Erwähnung seines Halbbruders Roarke spürte Raiden eine seltsame Anspannung. Es gab so viele Männer, an die er zu denken hatte – als Verdächtige oder als Freunde. Könnte Roarke ein Spitzel sein? Wusste Roarke überhaupt, dass sie verwandt waren? Und wenn Raiden ihm die Wahrheit über seine Abstammung sagte, würde sein Bruder seine Verbindung zu ihm dann neu überdenken?
Raiden wusste nicht mehr, was er denken sollte. Er wusste nur, dass seine aufgewühlten Gedanken immer wieder um eine Gewissheit kreisten – um Willa und die Mauer, die ihre Ehe zwischen ihm und seiner angeschlagenen Ehre errichtet hatte.
Aber nicht zwischen ihr und seinem Herzen.
15
Raiden sprach kein Wort mit ihr. Er hatte keinen Blick für sie.
Es war, als existierte Willa für ihn nicht mehr. Sie fühlte sich wie ein Paria und wünschte sich fast einen Streit mit ihm. Es würde den Schmerz mildern, den ihr langsam brechendes Herz ihr bereitete. Er schlief irgendwo anders und gab sich nicht einmal mehr den Anschein von Mitgefühl. Willa gestand sich ein, dass sie seine Gegenwart vermisste, selbst dann, wenn sie seine Wut zu spüren bekäme. Sie blinzelte die Tränen fort und
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