Die Geliebte des Rebellen
noch. Du hast mir das Leben gerettet.”
Er führte sie zu dem Kamin. “Wie ist es dir nur gelungen, mich an all den Wachen vorbei in den Palast zu schmuggeln und in das Quartier deines Vaters zu bringen?”
“Wir haben einen Pony-Karren gestohlen.”
“Du hast …?”
AnnaClaire legte ihm einen Finger auf die Lippen. “Sag jetzt nichts, Liebster. Ich weiß, es war unrecht, und ich will dem Besitzer auch eine angemessene Entschädigung zahlen. Aber ausweglose Situationen verlangen nach außergewöhnlichen Maßnahmen.”
Rory konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Er vermochte kaum zu glauben, was AnnaClaire ihm da erzählte.
“Als wir hier in Greenwich ankamen, habe ich den Wachen erzählt, wir würden frisches Obst und Gemüse für die königliche Tafel liefern. Es war alles ziemlich einfach, denn niemand fragte genauer nach. Es schien völlig normal zu sein, dass eine Frau und ein kleiner Junge Lebensmittel in den Palast bringen. Und als wir erst mal drinnen waren, brauchten wir nur noch zu warten, bis die Dienstboten anderweitig beschäftigt waren, um dich dann in die Räume meines Vaters bringen zu können.”
“Wie hinterhältig Ihr doch seid!” erklang die Stimme der Königin von der Tür her. Elizabeth stürmte herein, gefolgt von James und Conor.
Innis wurde wach und setzte sich aufrecht hin. Rory erkannte, dass die Monarchin kurz davor war, die Beherrschung zu verlieren, und stellte sich schützend vor AnnaClaire.
“Tritt zur Seite”, befahl sie. Ihre Stimme klang hoch und schrill. “Ich will mit dieser hinterlistigen Person reden.”
Rory setzte zu einer Antwort an, doch gerade noch rechtzeitig fing er ein Kopfschütteln von Conor auf. Es schien ratsam zu sein, die Königin nicht noch mehr zu provozieren. Widerstrebend trat er zurück, hielt aber AnnaClaires Hand weiterhin fest.
“Ihr habt also eigenmächtig entschieden, einen Gefangenen der Krone freizulassen.” Elizabeth war offenkundig immer noch völlig außer sich.
“Ja, Majestät. Bitte, vergebt mir. Ich hörte, wie der Soldat Tilden Rory drohte.”
“Wie kann Tilden einem Gefangenen gefährlich werden? Ich hatte doch angeordnet, dass er bis zu seiner Anhörung in seinem Quartier bleiben müsse.”
Innis stellte sich jetzt neben AnnaClaire, als könnte er sie dadurch vor dem Zorn der Königin schützen. Sie schaute zu ihm herunter, bevor sie die Frage der Regentin zu beantworten versuchte: “Vielleicht hat er jemand bestochen. Möglicherweise hat er sich auch gewaltsam aus der Bewachung befreit. Auf jeden Fall traf er in Fleet ein mit der Absicht, nicht nur Rory umzubringen, sondern Innis und mich auch. Er sagte, diesmal würde es keine Zeugen geben.”
“Ich kann einfach kein einziges Wort glauben von dem, was Ihr mir da erzählt”, wehrte Elizabeth AnnaClaires Erläuterungen ab. “Stimmt das alles, Innis?”, fragte sie den Jungen.
“Ja, Majestät.” Er wagte vor Ehrfurcht kaum, sie anzusehen.
“Du würdest deiner Königin niemals die Unwahrheit sagen, oder?”
Innis schüttelte heftig den Kopf.
“Und wo ist Tilden jetzt?”
Nun schaltete sich Rory doch in den Wortwechsel ein. “Er liegt tot auf den kalten Steinen des Gefängnisses. Ich trage an seinem Tod die alleinige Verantwortung.”
AnnaClaire sah ihren Vater an, dessen Gesicht zuerst Entsetzen, dann eine große Traurigkeit widerspiegelte. Ein Blick auf Conor verriet ihr dessen stille Erleichterung, dass ihr Feind tot war, aber auch eine leise Furcht vor dem, was nun wohl noch auf sie alle zukommen mochte.
Nach und nach waren sämtliche Berater der Königin in das Gemach eingetreten, unter ihnen auch Lord Dunstan. Er schien einigermaßen verwirrt von dem, was er sah und hörte.
Elizabeth hatte sich mittlerweile so weit beruhigt, dass ihre Stimme wieder ruhig und sachlich klang, vielleicht sogar ein wenig resigniert. “Ihr behauptet also, Rory O’Neil, keine Wahl gehabt zu haben, als Tilden zu töten?”
“Das ist richtig, Majestät. Und ich möchte noch hinzufügen, dass ich keine Reue empfinde über das, was ich getan habe.”
“Ich kann mich nicht erinnern, Euch nach Euren Gefühlen gefragt zu haben. Ich wollte nur wissen, ob es wirklich notwendig gewesen ist, Tilden umzubringen.”
“Es ging um die Entscheidung: Sein Leben oder unseres.”
Lange Zeit sah Elizabeth diesem anmaßenden, irischen Gesetzlosen ins Gesicht, der so viel Unruhe verursacht hatte. Viel zu lange schon war der Blackhearted O’Neil das Gesprächsthema in
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