Die Geliebte des Rebellen
Erleichterung und Dankbarkeit. Sie küsste AnnaClaires Hände und schloss dann ihre kleine Tochter in die Arme.
“Das war doch selbstverständlich”, versicherte AnnaClaire und fuhr fort: “Ich kann nicht glauben, dass die Männer nicht gesehen haben, was vor sich ging.”
“Die haben alles gesehen.” Die Frau machte eine verächtliche Handbewegung. “Aber es kümmert sie nicht. Unser Leben bedeutet ihnen nichts.” Mit gedämpfter Stimme fügte sie hinzu: “Doch schon sehr bald werden sie den Stachel des Blackhearted O’Neil zu spüren bekommen.”
“Das verstehe ich nicht.”
“Er ist hier”, wisperte die junge Mutter kaum hörbar. “Es wird gesagt, er sei in diesem Augenblick irgendwo in der Menge.”
“Wer ist hier?” AnnaClaire sprach jetzt ebenfalls sehr leise, obwohl sie keine Ahnung hatte, worum es eigentlich ging.
“Rory O’Neil, dem Himmel sei Dank! Er ist gekommen, um der Ungerechtigkeit ein Ende zu machen.” Plötzlich riss sie ungläubig die Augen auf. “Da ist er. Kommt, Mistress. Wir dürfen hier nicht länger herumstehen. Es hat schon angefangen.”
AnnaClaire nahm ein allgemeines Raunen wahr, verstand aber nicht mehr als zuvor, was hier in Dublin vor sich ging.
“Wir haben keine Zeit mehr. Schnell, folgt mir!” Die junge Frau zog AnnaClaire mit sich, bevor diese dagegen protestieren konnte. Im nächsten Moment tauchte eine Gruppe zerlumpter Gesellen auf, von denen jeder ein Schwert schwang und wild entschlossen einen Angriff gegen die englischen Soldaten startete.
Kurz darauf sah AnnaClaire von ihrem Beobachtungsposten hinter einem mit Fisch beladenen Karren aus, wie im Handumdrehen ein erbitterter Kampf zwischen den Engländern und ihren Angreifern entbrannte.
Der Anführer der irischen Kämpfer erregte ihre besondere Aufmerksamkeit, als er sich zwischen einen seiner Männer, der eine stark blutende Wunde hatte, und einen Soldaten warf, der den Verletzten soeben mit seinem Schwert niederstrecken wollte.
“Das ist Rory O’Neil”, flüsterte die junge Frau neben AnnaClaire beinahe ehrfürchtig. “Unser tapferer O’Neil mit dem Herzen aus Stein.”
AnnaClaire konnte den Blick nicht von ihm abwenden. Dieser O’Neil kämpfte mit übernatürlich anmutenden Kräften und schien überall gleichzeitig zu sein. Er steckte Hiebe ein, die seinen Männern galten, benutzte sein Schwert kraftvoll und elegant, bewegte sich schnell und geschmeidig.
Als nach einer Weile nur noch drei der Soldaten auf den Beinen waren und sich die englischen Gesandten anschickten, die Flucht zu ergreifen, rief Rory laut und vernehmlich: “Wir sind nicht gekommen, um Euch ein Leid anzutun. Der Mann, den wir suchen, ist nicht hier. Wir wollen, dass Ihr Eurer Königin eine Nachricht von uns überbringt: Unser Wunsch ist es, in Frieden zu leben. Aber seid gewiss: Wir werden unsere Waffen nicht eher niederlegen, bis jene Barbaren, die unsere unschuldigen Frauen und Kinder bestialisch umgebracht haben, dafür gebüßt haben. Als Erster auf unserer Liste steht Tilden. Er bringt Schande über seine Königin und sein Land. Habt Ihr das verstanden?”
Die hochrangigen Gesandten Ihrer Majestät wechselten ängstlich einige Blicke, bevor sie zustimmend nickten.
“Gut.” Rory senkte sein Schwert. “Und nun sagt Euren Soldaten, sie mögen ihre Waffen niederlegen. Wir werden sodann diesen Ort verlassen.”
“Feiglinge!”, erklang eine Stimme. “Ihr werdet vor diesen Barbaren nicht davonrennen.” Ein stämmiger, kräftiger Mann trat vor. Das gelbliche Haar reichte ihm fast bis zu den Schultern. Eine breite Narbe vom linken Auge bis zum Unterkiefer verunstaltete sein Gesicht. Bei seinem Anblick stieß die Menge einen Entsetzenslaut aus. Daraufhin herrschte gespenstisches Schweigen.
AnnaClaire wandte sich an die junge Frau. “Was hat das alles zu bedeuten? Wer ist dieser Mann?” erkundigte sie sich kaum hörbar.
“Das ist der Soldat, den unsere Leute suchten. Er heißt Tilden, aber die meisten Leute nennen ihn Luzifer, besonders die, die seine Grausamkeit zu spüren bekamen.”
“Was für eine Art von Grausamkeit?”
“Sie übersteigt alles, was man sich darunter vorstellen kann. Es macht ihm Spaß, Männer zu foltern, bevor er sie schließlich umbringt. Er tut unseren Frauen und Kindern Gewalt an, wobei er oftmals die Ehemänner und Väter zwingt, ihm dabei zuzusehen, bevor er sie ebenfalls tötet. Und er hat geschworen, dass er unseren Blackhearted O’Neil zur Strecke bringen wird.”
Bewegt
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