Die Geliebte des Rebellen
Lady Alice Thornly plant ein glanzvolles Festmahl, zu dem sie dich einladen wird. Wie ich hörte, werden einige interessante Männer anwesend sein, die erst kürzlich aus England eingetroffen sind. Vielleicht ist ja einer darunter, der deine Aufmerksamkeit erregt.”
AnnaClaire rang sich ein Lächeln ab. “Ach, Vater, Ihr könnt einfach nicht aus Eurer Haut heraus.”
“Aber ist das nicht verständlich?”, wandte James Thompson ein. “Du brauchst einen Gatten und eine Familie. Du lebst weit entfernt von deinem Zuhause und hast nicht einmal mehr die Möglichkeit, auf den Schutz und die Unterstützung durch deine Mutter zu bauen. Und nun lässt dich dein Vater auch noch im Stich.”
“Das stimmt doch gar nicht, Vater”, widersprach AnnaClaire. “Schließlich habt Ihr selbst versprochen, zu meinem Geburtstag wieder hier zu sein.”
“Und zu meinem Wort stehe ich”, bekräftigte Lord Thompson. “Mir wäre einfach wohler zumute, wenn ich dich während meiner Abwesenheit in der Obhut eines jungen Mannes wüsste.”
“Nun, stattdessen passt eben ein alter Mann auf mich auf. Lord Davis ist ein Schatz.”
“Ja, aber leider nicht das, was ich mir vorstelle.” Lord Thompson wandte sich um und beobachtete, wie seine Reisetruhen verladen wurden. “Ich möchte nicht, dass du wartest, bis mein Schiff ablegt. Es gefällt mir überhaupt nicht, wenn du dich unter die Einheimischen mischst. Die Zeiten sind unruhig.” Besorgt schaute er sich um. Wie üblich herrschte am Hafen reges Treiben.
Gleich darauf sah er, dass seine Tochter zu einem Widerspruch ansetzte, und fügte schnell hinzu: “Geh jetzt, mein Kind. Tavis wartet an der Kutsche auf dich. Gehab dich wohl, und sitze nicht untätig herum. Pass immer gut auf dich auf.”
“Gott beschütze Euch, Vater.” AnnaClaire wandte sich um und war schon bald in der Menge verschwunden.
Die Luft war erfüllt vom Geruch nach Seewasser, Erde und Menschen. Eine bunte Mischung von wohlhabenden Grundbesitzern, Armen und Ärmsten tummelte sich am heutigen Markttag im Hafen von Dublin. Straßenhändler boten lautstark ihre Waren feil, kleine Jungen von höchstens neun oder zehn Jahren schoben Karren, die schwer mit Muscheln und Krebsen beladen waren. Ältere Fischer mit von Wind und Sonne wie Leder gegerbter Haut flickten in aller Ruhe ihre Netze, ohne sich im Geringsten von dem lauten Treiben ringsum stören zu lassen.
AnnaClaire verspürte einen winzigen Stich in der Herzgegend. Seit frühester Kindheit liebte sie das Leben, die Gerüche und Geräusche von Dublin.
Nun sah sie, wie eine Gruppe englischer Soldaten von Bord der “Greenley”, einem Schiff Ihrer Majestät, der Königin Elizabeth, ging. Sie waren offenkundig erst vor Kurzem nach der langen Kanalüberfahrt in Irland eingetroffen und bahnten sich jetzt rücksichtslos ihren Weg durch die Menschenmenge.
AnnaClaire erkannte, dass sie mindestens ein halbes Dutzend Abgesandter der englischen Königin eskortierten. Elizabeth entsandte jeden Monat mehr hochrangige Engländer nach Irland, die das sogenannte “irische Problem” lösen sollten.
“Aus dem Wege, ihr Lumpenpack!” Einer der Soldaten hob drohend sein Schwert, und die Menschen wichen zurück.
AnnaClaire fühlte, wie sich Abscheu und Widerstand in ihr regten. Jedes Mal, wenn weitere englische Soldaten an irischen Küsten an Land gingen, wuchsen Unzufriedenheit und Ablehnung unter der einheimischen Bevölkerung, und das nicht ohne Grund. So manche der rauen Gesellen, die daheim in England als Abschaum galten, spielten sich in Irland auf, als wollten sie den Iren beweisen, dass sie ihnen in jeder Hinsicht überlegen waren.
AnnaClaires Aufmerksamkeit wurde auf eine junge Frau gelenkt, die ein kleines Mädchen, gewiss nur wenig älter als zwei Jahre, an der Hand hielt und versuchte, es mit sich zu ziehen, während die Soldaten geradewegs auf sie zu marschierten. Plötzlich riss sich die Kleine los und lief auf die Engländer zu.
“Oh nein! Bitte, jemand muss sie aufhalten!”, rief die junge Frau.
AnnaClaire traute kaum ihren Augen, denn die Soldaten schritten ungerührt weiter geradeaus, von einer dichten Menschenmenge flankiert. Das Kind würde totgetrampelt werden!
Ohne zu überlegen oder einen Gedanken an ihre eigene Sicherheit zu verschwenden, hastete AnnaClaire nach vorn und riss das Mädchen hoch. Im nächsten Moment marschierten die Soldaten an ihr vorbei.
“Danke, Mistress.” In den Augen der jungen Frau schimmerten Tränen der
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