Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition)
meine geliebten Kinder in Ihrem Schutz; ich weiß, sie werden gut darin geborgen sein. Vergessen wir alles, was an Irrtum und Sünde zwischen uns war. Bewahren wir uns die Erinnerung an die reine Freundschaft, die diese letzte Stunde zwischen uns geknüpft hat!”
Er hob den tränenverdunkelten Blick zu ihr auf. Dann sank er auf die Knie vor ihr nieder und küsste zum letzten Mal die sanfte Hand, die ihm so unendlich viel Glück geschenkt hatte.
„Leben Sie wohl, Louise”, schluchzte er. „Vergeben Sie mir, wenn Sie können!”
Er erhob sich, und ohne den Blick noch einmal zu wenden, wankte er zur Tür. Er ließ die kahle, kalte Zelle hinter sich und schritt durch die warme, üppige Pracht der Gemächer, über die Marmorstufen zum Vestibül hinab.
Noch einmal suchte sein sehnender Blick die Frau seiner Liebe, die er auf Erden niemals wiedersehen sollte! Dann bestieg er seinen Wagen, vor dem die Rosse ungeduldig scharrten, und fuhr in die Nacht hinaus.
Das Morgenrot des 28. April 1674 stand über Paris, als an derselben Stelle, an der des Königs Wagen während der Nacht gehalten hatte, die Equipage der Marquise von La Vallière hielt. Gabrielle war gekommen, ihre Schwägerin auf der letzten traurigen Fahrt ins Kloster zu begleiten.
Louise war in ein kostbares, schimmerndes Gewand gehüllt, das sie zu Ehren des Tages angelegt hatte, der einen hohen Festtag für sie bedeutete. Mit sanftem Lächeln schritt sie die Stufen ihres Palastes zum letzten Mal hinab.
Als sie an den unteren Stock kam, von dem nur eine kleine Treppe noch in die große Vorhalle führte, stockte ihr Fuß. Noch einmal fasste die irdische Liebe mit greifenden Händen nach ihr. Auf den Marmorstufen stand Madame Colbert zwischen Marie-Anne und dem kleinen Grafen von Vermandois. Die ahnungslosen Kinder streckten der Mutter die Hände mit ihren blauen Veilchensträußen entgegen.
„Adieu, Belle-Maman!”, rief die reizende Marie-Anne. „Madame Colbert sagt uns, Sie gehen auf eine weite Reise — glückliche Fahrt, Belle-Maman, und auf frohes Wiedersehen!”
Das schöne Kind lächelte die Mutter aus seinen warmen braunen Augen an. Der Blick traf Louise wie ein letzter, lächelnder Gruß des Geliebten. Sie zog die Kinder an ihre Brust und küsste sie zärtlich.
„Auf Wiedersehen, meine geliebten Kinder — Gott sei mit euch!”
Dann drückte sie Madame Colbert bewegt die Hand.
„Die Kinder werden ihre Mutter wiedersehen, Frau Herzogin.”
Louise hatte geglaubt, der Morgenfrühe halber unbemerkt die Rue d'Enfer zu erreichen. Es war ein Irrtum. Wie ein Lauffeuer hatte sich die Nachricht durch Paris verbreitet: „Die La Vallière tritt heute bei den Karmeliterinnen ein.”
Der halbe Hof, ganz Paris war in Bewegung. In allen Straßen, auf allen Plätzen standen Menschengruppen. Voll tiefen Mitleids, voll inniger Sympathie grüßten sie die Frau, die niemals wissentlich jemandem weh getan, die des Königs Hand zu manchem guten Werk geleitet, manchen seiner Zornesausbrüche besänftigt hatte, die die Armen und Elenden lieb gehabt und die nun, selbst eine der Ärmsten und Elendesten, sich in ein Kloster begrub.
Je näher sie den Karmeliterinnen kamen, umso mehr wuchs die Menge an. In der Rue d'Enfer staute sie sich zu so gewaltigen Massen, dass die Pferde nur im Schritt noch vorwärts kamen. Jedes Fenster, jede Haustür war mit Menschen besetzt. Segenswünsche für Louise, Verwünschungen gegen die Montespan wurden laut.
Die Herzogin blickte sanft und nachdenklich. Ab und zu schwebte ein Lächeln des Friedens um ihren Mund. Gabrielle war blass und verzweifelt und hielt die Hand ihrer Schwägerin, als ob sie sie nie wieder lassen wollte.
Als der Wagen am Kloster vorfuhr, öffnete sich die Tür der kleinen Kapelle. Mère Claire du Saint-Sacrement stand auf der Schwelle. Louise sank zu ihren Füßen nieder.
„Meine Mutter”, sagte sie mit fester Stimme, „ich habe mein Leben lang einen so schlechten Gebrauch von meinem Willen gemacht, dass ich ihn in Ihre Hände lege, um ihn nie wieder zurückzunehmen.”
Die Priorin hob sie auf und küsste die Stirn. Dann fiel dumpf und schwer, wie die Erdscholle auf den Sarg, das Tor des Klosters hinter ihnen zu.
Louise de La Vallière, die sanfte zärtliche Geliebte Louis' XIV., war gestorben. An ihrer Statt lebte hinter den düsteren Mauern der Karmeliterinnen „Soeur Louise de la miséricorde” ein Leben voller Buße und Reue und kasteite den weißen Leib und die zarte Seele, die einst des
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