Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition)
Am Ende wird sich am Hofe leicht eine bessere Partie für Louise Françoise finden.”
„Vielleicht auch entdeckt sie erst da ihr Herz für den prächtigen, jungen Menschen. Es wäre nicht das erste Mal, dass eine neue Welt die Augen für die verlassene alte erst erschließt.”
Eine Woche nach diesem Gespräch hielt der große, schon etwas altersschwache Reisewagen an der Haupteinfahrt von La Vallière. Louise barg ihr tränenüberströmtes Gesicht an der Brust der Marquise.
„Leben Sie wohl, liebe, liebe Mutter, schluchzte sie, „vergessen Sie Ihre arme Louise nicht. Behalten Sie sie lieb. Und Dank, Dank für alles.”
Endlich war schweren Herzens der letzte Abschiedskuss getauscht. Louise nahm ihr schlichtes, graues Reisekleid zusammen und stieg zu Frau von Fleuvigny in den Wagen. Jetzt erst bemerkte sie, dass die ganze Dienerschaft von La Vallière bereitstand, ihr ein letztes Lebewohl zu sagen, allen voran der alte Gärtner Jean Gilbert mit einem mächtigen Korb der schönsten Blumen. Er hatte alle Gewächshäuser geplündert, um dem armen, lieben Fräulein von seinen kostbaren Schätzen mit auf den Weg zu geben.
Rosalie, die auf dem Bock neben dem Kutscher thronte, hatte auch ihr Sträußchen an der Brust. Lustig lachten ihre schwarzen Augen auf die Abschiedsszene herunter. Der kleine Wildfang begriff es nicht, wie man weinen könne, wenn es hinausging in die schöne, weite Welt.
Gerade wollte die schwerfällige Kalesche sich in Bewegung setzen, als auf der Straße ein halbwüchsiger Bursche auftauchte, der schon von weitem eifrig mit einem weißen Päckchen winkte. Als er näher kam, bemerkte die Marquise, dass er die graue Livree der Bragelonne trug. Atemlos gelangte er an den Wagenschlag und überreichte dem Fräulein von La Vallière das kleine, weiße Paket. Dann zogen die Pferde an.
Louise lehnte sich weit aus dem Wagen; sie winkte den Zurückbleibenden mit der Hand sehnsüchtige Grüße zu. Dann, als bei einer scharfen Wegbiegung Schloss La Vallière mit seinen alten Türmen, seinen efeuumrankten Mauern, mit seinem Kranz von roten und bronzefarbenen Eichenwäldern verschwand, sank Louise Françoise schluchzend in den Fond des Wagens zurück.
Ihr Herz zog sich in wildem Weh zusammen. Sie hatte ein Gefühl, als sei mit diesem Abschied von der geliebten Heimat das unschuldige Glück ihrer Jugend gestorben.
Es war an einem frühen Nachmittag, als die Kalesche mit den beiden Damen und der lustigen Rosalie vor dem Tor eines geachteten Gasthofs in Tours hielt.
Frau von Fleuvigny, ermüdet und hungrig, wollte ihr Zimmer nicht mehr verlassen und sich zeitig zur Ruhe begeben. Louise aber ließ es keine Ruhe, bevor sie Rosalie das alte Haus nicht gezeigt, in dem sie geboren worden war, und die Kirche von Saint-Saturin, in der sie einen Tag nach ihrer Geburt das heilige Sakrament der Taufe empfangen hatte.
Das Hotel de la Crouzille in der Rue de Commerce Nr. 1 war nicht schwer zu finden. Louise erkannte es schon von weitem an dem großen Muschelornament an der Front, von dem ihr Vater ihr oft gesprochen hatte. Gaston von Orléans, dessen Gelehrsamkeit und reichen Bücherschätzen Louise mancherlei Kenntnisse verdankte, hatte ihr erzählt, dass die Baumeister der Renaissance gern dergleichen griechische Motive verwandt hätten, vornehmlich das Muschelmotiv, das auch an den meisten Bildwerken der den Wellen entsteigenden Venus zu sehen war.
Vor ihrem alten Geburtshaus brachte sie heute ihre junge Weisheit bei Rosalie an den Mann. Das lustige Mädel hörte Louise scheinbar aufmerksam zu, während ihre Gedanken ganz woanders waren. Sie zählte aufmerksam die Fenster des Hauses und riet hin und her, hinter welchem ihre junge Herrin wohl geboren sein möge?
Der wundervolle romanische Bau von Saint-Saturin, mit seinen herrlichen Skulpturen aus dem XVI. Jahrhundert, interessierte Rosalie noch weniger. Es hatte eben weder Kunstverständnis noch Sinn für Traditionen, dies lustige kleine Ding, das sich so sehr auf die gegenwärtige Welt freute!
Nach langem Streifen durch die Stadt kamen die Mädchen gegen Abend in den Gasthof zurück. Frau von Fleuvigny war gerade dabei, sich zur Ruhe zu begeben. Louise küsste sie und wünschte ihr eine gute Nacht. Dann ging sie in das kleine Zimmer hinunter, in dem Rosalie ihr den Abendimbiss bestellt hatte.
Auf dem Tisch neben den Platten mit kaltem Geflügel und Früchten lag die „Gazette de France”. Louise nahm selten die Zeitung zur Hand, auch in Blois nicht,
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