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Die Geliebte des Trompeters

Titel: Die Geliebte des Trompeters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Jaskulla
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Inneren hin- und herwarf wie nutzlosen, falsch geladenen Ballast, machten die Männer gleich mehrere Verwandlungen durch: Die eben noch überzeugten GIs, die Männer, die der Welt Demokratie, Ordnung und Sicherheit bringen würden, verwandelten sich wieder in Jungen, ängstliche, unsichere Rotzlöffel, die darauf warteten, dass jemand käme und sie bei der Hand nähme – oder ihnen wenigstens die durchgeschwitzten T-Shirts wüsche.
    Und wieder eine Weile später wurden sie apathisch, eine aggressive Gleichgültigkeit befiel sie, eine furchtbare und grundsätzliche Müdigkeit – allen Aufgaben zum Trotz, die sie an Bord zu erledigen hatten und die, das war leicht zu durchschauen, vor allem dazu dienten, die Disziplin aufrechtzuerhalten: Wache schieben, Antreten, Waffen pflegen, Essen vorbereiten und immer wieder Putzen. Sie schwankten beim Wachdienst vor Lethargie, sie traten an, starr wie mechanisches Spielzeug, sie glotzten beim Putzen auf die nassen Streifen, die ihre Lappen hinterließen, als stünde darauf eine Lösung geschrieben. So groß und so allgemein war diese Müdigkeit, dass sogar die Pornohefte ungelesen von Mann zu Mann weitergereicht wurden, manchmal besorgte es sich einer nachts und gab sich wenig Mühe, das zu verheimlichen, und das Stöhnen klang eher wie Kindergreinen. Meistens |18| gaben sie es auf halber Strecke auf. Und immer stank es. Nach Erbrochenem, nach Urin und Schweiß und schlechtem Schlaf. Nach den Resten der immer gleichen Suppen und nachts nach der Mischung aus Aqua Velva und Orangensaft und Tabak, den sie heimlich, trotz des strengen Verbots, einander verkauften.
    Nachts versuchten die Jungen, die tagsüber gehorchten wie folgsame Kinder, erwachsen zu sein. Nachts stießen sie Rauch in die Luft, rülpsten vernehmlich und marschierten breitbeinig herum, standen mit verschränkten Armen hinter den Kartenspielern. Das Kartenspiel war natürlich verboten. Glenn und Johnny organisierten die Pokerrunden, und sie hatten es geschafft, dass es als Ehre galt, dabei zu sein.
    Irgendwann erwischten sie auch den Jungen. Der Kleine aus Glendale, Kalifornien, hatte keine Chance gegen die Tricks der Alten. Sie wollten sich totlachen über seine schlecht verborgene Zuversicht, als sie ihm am Anfang ein gutes Blatt zuspielten, damit er sich in Sicherheit wiegte:
Two Pairs,
auch mal einen
Flush
, es war erstaunlich, wie schnell man dem Jungen eine Freude machen konnte! Die Einsätze wurden erhöht. Jemand warnte den Jungen. Der Jemand war Dick, der ihn nicht aus den Augen ließ, aber der Junge wies die Warnungen zurück und spielte weiter. Und verlor.
    Er verlor eine Runde und dann noch eine, und irgendwann war er blank und war pleite und hatte nichts mehr, keinen einzigen Cent vor sich auf dem Tisch. Da erwachte er, wurde zornig, begriff, dass sie ihn betrogen hatten, und die Tränen der Wut schossen ihm in die Augen.
Heul doch! Oder sing uns was vor, Kleiner! Singst ja eh wie Cab Calloway, dieser Schwanzlutscher. Aber ein Schwanzlutscher bist du ja auch, stimmt’s! Eine kleine Schwuchtel!
Und sie machten das Getänzel des Sängers aus Baltimore nach, oder vielleicht machten sie auch den Jungen nach, der morgens im Waschraum manchmal vor sich |19| hin sang und sich dazu leise bewegte: Singen beim Zähneputzen! Sie lachten sich tot!
    Angesichts der Hänselei stürzte sich der eher schmächtige Junge auf Glenn, den Rädelsführer. Er mochte Cab Calloway, er liebte die Musik aus dem New Yorker Cotton Club, aber darum ging es jetzt nicht. Der Tisch wurde umgeworfen, Gläser flogen, Fäuste landeten hier und da, und im allgemeinen Getümmel wurde übersehen, dass jemand den Jungen beim Kragen packte und aus dem Raum zerrte, unnachgiebig, entschieden: Dick. Mach so einen Bullshit nie wieder!, sagte er streng. Das ist nichts für dich. Ich weiß noch nicht, was du für einer bist, aber das hier ist nichts für dich.
    Schwer atmend standen sie an Deck, der Junge, der vor Empörung und vor Kälte zitterte, und Dick, schwitzend. Der Junge fühlte sich hingezogen. Dick war stark. Er war mutig. Er hatte ihn beschützt. Dick fand den Jungen seltsam. Ungewöhnlich. Ein hübscher Bengel, sicher, aber das konnte Dick nicht beeindrucken. Es gab vielmehr etwas im Gesicht dieses Jungen, das ihm gefiel. Es gefiel ihm – und gleichzeitig beunruhigte es ihn. Etwas in diesem Gesicht flackerte. War unstet. War unberechenbar. Chet konnte von einem Augenblick zum anderen völlig in sich versinken – oder, wie eben, in

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