Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
seine schwielige Hand aus und nahm die Peitsche. Ein Ausdruck der Belustigung flackerte in den schwarzen Äuglein des Clanmitglieds auf.
    »Mit Vergnügen... Sir.«
    Jamie drehte seinen Männern den Rücken zu und fing an, sich das Hemd auszuziehen. Da fiel sein Blick auf mich, die ich wie versteinert zwischen den Bäumen stand, und er hob ironisch fragend die Augenbrauen. Ob ich wirklich zusehen wollte? Ich schüttelte wild den Kopf, drehte mich um und stolperte zwischen den Bäumen davon.
     
    Doch ich kehrte nicht ins Zelt zurück, dessen drückende Luft mir jetzt unerträglich erschienen wäre. Ich hatte das Gefühl zu ersticken und brauchte frische Luft.
    Auf einer kleinen Anhöhe hinter dem Zelt hielt ich an, legte mich flach auf den Boden und verschränkte die Arme über dem Kopf. Nichts, keinen Laut wollte ich von dem letzten Akt des Dramas hören, das sich unten am Feuer abspielte.
    Das Gras war kalt auf meiner nackten Haut, und ich zog den Umhang enger um mich. So lag ich unbeweglich, lauschte auf das Pochen meines Herzens und wartete darauf, daß mein aufgewühltes Inneres zur Ruhe kam.
    Kurze Zeit später hörte ich, wie die Männer in kleinen Gruppen zu viert oder fünft zu ihren Schlafstellen zurückkehrten. Durch die schützende Hülle meines Umhangs konnte ich ihre Worte nicht verstehen, doch ihre Stimmen klangen gedämpft, vielleicht sogar
ein wenig ehrfürchtig. Es dauerte eine Zeitlang, bis ich merkte, daß er gekommen war. Obwohl er schwieg, spürte ich seine Nähe. Als ich mich aufsetzte, sah ich ihn auf einem Stein hocken.
    Da ich mich nicht entscheiden konnte, ob ich seinen Kopf streicheln oder mit einem Felsblock einschlagen sollte, tat ich letztlich keins von beiden.
    »Geht es dir gut?« fragte ich statt dessen so unbeteiligt wie möglich.
    »Aye. Es geht schon.« Langsam faltete er seine Glieder auseinander und streckte sie behutsam und mit einem tiefen Seufzer.
    »Es tut mir leid um dein Kleid«, sagte er nach einer Pause. Ich merkte, daß durch die Risse im Stoff meine Haut hindurchschimmerte, und hastig zog ich meinen Umhang fester um mich.
    »Ach, nur um das Kleid?« fragte ich ziemlich spitz.
    Er seufzte wieder. »Aye, und um das andere auch.« Dann fügte er hinzu: »Ich dachte, du wärst vielleicht bereit, deine Sittsamkeit zu opfern, damit ich nicht gezwungen bin, dem Jungen etwas anzutun. Aber unter den gegebenen Umständen blieb mir nicht die Zeit, dich um Erlaubnis zu bitten. Wenn ich also einen Fehler gemacht habe, bitte ich um Verzeihung, Lady.«
    »Du meinst, sonst hättest du ihn weiter gefoltert?«
    Er war verärgert und bemühte sich nicht, es zu verbergen. »Von wegen foltern! Ich habe dem Jungen kein Haar gekrümmt.«
    Ich zog meinen Umhang fester um mich. »Ach, daß du ihm den Arm gebrochen und ihn mit einer heißen Klinge gebrannt hast, betrachtest du also nicht als Folter?«
    »Nein.« Mit einem Satz sprang er auf mich zu, packte mich an Ellbogen und riß mich zu sich herum. »Jetzt hör mir mal zu! Er hat sich den blöden Arm gebrochen, als er sich aus meinem Griff entwinden wollte. Leider hat er keine Erfahrung im Kampf Mann gegen Mann, obwohl er so tapfer ist wie andere.«
    »Und der Dolch?«
    Jamie schnaubte verächtlich. »Pfff! Nichts als ein kleiner Kratzer, den er morgen mittag schon wieder vergessen hat. Sicher hat es ihm anfangs weh getan, aber es sollte ihm einen Schrecken einjagen, mehr nicht.«
    »Ach!« Ich riß mich los, stand auf und ging zurück in den dunklen Wald, auf unser Zelt zu. Hinter mir hörte ich seine Stimme.

    »Ich hätte ihn auch mit Gewalt zum Reden bringen können, Sassenach. Es wäre unschön gewesen und hätte bleibende Schäden hinterlassen. Aber ich hüte mich vor solchen Methoden, wenn es nicht unbedingt sein muß. Allerdings, Sassenach«, warnend drang seine Stimme durch die Schatten an mein Ohr, »kann die Zeit kommen, wo ich dazu gezwungen bin. Ich mußte erfahren, wo sich seine Truppe aufhält, wo sich ihre Waffen befinden und so weiter. Durch bloße Einschüchterung hätte ich das nicht erfahren; und so konnte ich ihm nur eine Falle stellen oder es mit Gewalt aus ihm herausholen.«
    »Er hat gesagt, du könntest nichts tun, was ihn zum Sprechen brächte.«
    Jamies Stimme klang müde und erschöpft. »Gott noch mal, Sassenach, natürlich hätte ich einen Weg gefunden. Man kann den Widerstand eines jeden Menschen brechen, wenn man ihn nur lange genug foltert. Wenn sich jemand darin auskennt, dann ich.«
    »Ja«, sagte ich

Weitere Kostenlose Bücher