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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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blickte der Junge erst mich, dann Jamie an.
    »Außerdem versichere ich dir, daß die Lady, die mich in meinem Bett gelegentlich mit ihrer Anwesenheit beehrt, dies nie unter Zwang getan hat... und auch in Zukunft nicht tun wird«, fügte er spitz hinzu. »Aber binde sie noch nicht los, Kincaid.«
    »James Fraser«, zischte ich ihm wütend zu. »Wenn du dem Jungen auch nur ein Haar krümmst, wirst du dein Bett ganz bestimmt nie mehr mit mir teilen!«
    Jamie runzelte besorgt die Stirn. »Tja, das ist eine ernste Drohung für einen so skrupellosen Lüstling wie mich. Aber in einer solchen Situation muß ich mein eigenes Wohlergehen hintanstellen. Krieg ist eben Krieg.« Erneut hob er die Pistole.
    »Jamie!« schrie ich.
    Er ließ die Waffe sinken und wandte sich mit übertriebener Nachsicht an mich. »Ja?«
    Um meine Wut zu bändigen, holte ich tief Luft. Ich konnte nur ahnen, was er vorhatte, und hoffte, daß ich das Richtige tat. Ob richtig oder nicht, wenn das hier erst einmal vorüber war... Ich verdrängte die äußerst reizvolle Vorstellung eines am Boden liegenden Jamie, der sich unter meinem Fuß wand, und versuchte, mich auf meine gegenwärtige Aufgabe zu konzentrieren.
    »Du hast nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, daß er ein Späher ist«, wandte ich ein. »Er hat gesagt, er sei zufällig auf dich gestoßen. Wer wäre da nicht neugierig, wenn er im Wald ein Feuer sieht?««
    Jamie nickte einsichtig. »Aye, aber was ist mit dem Mordversuch?
Späher oder nicht, er hat versucht mich zu töten und gibt das auch zu.« Er strich über die Wunde an seinem Hals.
    »Ja, natürlich!« rief ich ungeduldig. »Er ist davon ausgegangen, daß du ein Verbrecher bist. Verdammt noch mal, auf deinen Kopf ist schließlich eine Belohnung ausgesetzt!«
    Jamie rieb sich unschlüssig das Kinn, dann wandte er sich zu dem Gefangenen um. »Tja, das ist natürlich richtig«, sagte er. »William Grey, du hast eine gute Anwältin. Weder Seine Hoheit Prince Charles noch ich haben die Gewohnheit, jemanden ohne Recht und Gesetz zu exekutieren.« Er winkte Kincaid zu sich heran.
    »Kincaid, du und Ross nehmt diesen Kerl und führt ihn in die Richtung, in der sich seinen Angaben zufolge sein Lager befindet. Wenn das, was er gesagt hat, stimmt, dann bindet ihn gut einen Kilometer von seinem Lager entfernt in Marschrichtung an einem Baum fest. Morgen früh werden ihn seine Kameraden finden. Wenn sich seine Auskünfte aber als falsch erweisen«, er musterte den Gefangenen durchdringend, »dann schneidet ihm die Kehle durch.«
    Ohne jede Spur von Spott blickte er dem Jungen ins Gesicht. »Ich habe dir das Leben geschenkt. Ich hoffe, du fängst etwas Vernünftiges damit an.«
    Dann band er mich los. Als ich mich wütend umdrehte, zeigte er auf den Jungen, der sich unter der Eiche auf den Boden gesetzt hatte. »Würdest du ihm den Arm verbinden, bevor er aufbricht?« Der finstere Blick, die gespielte Grausamkeit waren aus Jamies Gesicht verschwunden. Statt dessen hielt er die Augen gesenkt und mied meinen Blick.
    Wortlos trat ich auf den Jungen zu und beugte mich zu ihm hinunter. Er schien wie benommen und widersetzte sich nicht, als ich seinen Arm untersuchte, obwohl er große Schmerzen haben mußte.
    Ständig glitt mir das zerrissene Oberteil meines Kleides von den Schultern, und ich murmelte ärgerlich, als ich es zum x-ten Male hochzog. Der Unterarmknochen des Jungen war dünn und kaum kräftiger als meiner. Ich schiente den Arm und legte ihn in eine Schlinge, die ich aus meinem Halstuch gebunden hatte. »Es ist ein glatter Bruch«, erklärte ich ihm sachlich. »Du solltest den Arm mindestens zwei Wochen lang nicht mehr bewegen.« Er nickte, ohne mich anzusehen.

    Jamie saß unterdessen schweigend auf einem Holzblock und sah mir zu. Keuchend vor Wut ging ich zu ihm hin und schlug ihn, so fest ich konnte, ins Gesicht. Die Ohrfeige hinterließ auf seiner Wange einen weißen Fleck, und Tränen schossen ihm in die Augen, aber er verzog keine Miene.
    Kincaid zog den Jungen auf die Beine und schob ihn zum Rand der Lichtung. Dort blieb er stehen und drehte sich noch einmal um. Er vermied es, mich anzusehen, sondern sprach nur zu Jamie.
    »Ich verdanke Ihnen mein Leben«, erklärte er förmlich. »Ich würde es vorziehen, wenn dem nicht so wäre, aber dieses unwillkommene Geschenk muß ich jetzt als eine Schuld betrachten, die ich abzutragen habe. Doch wenn sie erst einmal abgegolten ist...« In der Stimme des Jungen schwang unterdrückter Haß

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