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Die gelöschte Welt

Die gelöschte Welt

Titel: Die gelöschte Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Harkaway
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seltsames Ding, das an ein kahles Kaninchen mit einem Fischkopf erinnert. Es faucht mich an, als ich mich ihm nähere. Ich weiche zurück. Dann versucht es, Samuel P. zu beißen. Er zuckt mit den Achseln, zieht seine Pistole und verwandelt das Tier in einen klebrigen, stinkenden Schleim: PENG.
    Der Schuss hallt nicht. Das Geräusch stirbt irgendwie flüsternd zwischen den Bäumen in der Umgebung und erweckt den Eindruck, es wolle rasch weiterkommen. Alle sehen sich um – genauer gesagt: ich, Gonzo, Annie, Bone und Tobemory Trent.
    »Sam«, sagt Gonzo. »Wenn uns in den nächsten zwanzig Minuten menschenfressende Pflanzen oder riesige Fischkaninchen überfallen, die nach ihren grässlichen Jungen suchen, dann werde ich dich ihnen zum Fraß vorwerfen. Ich werde dich ihnen sogar auf einem Teller aus Bananenblättern servieren. Ich werde mir ein weißes Tuch über den Arm legen, dir einen Apfel in den Mund stecken und dich in ihr Esszimmer tragen, wo ich anbieten werde, dich zurechtzuschneiden. Dazu werde ich einen Rotwein mit vollem Körper empfehlen, weil ich vermute, dass dein Fleisch nach Wild oder nach Geräuchertem schmeckt. Und ich werde mich verneigen, bis meine Nasenspitze den mit widerlichen Brocken bedeckten Teppich ihres Baus berührt. Ich werde ihnen einen guten Appetit wünschen, hinausgehen und mich glücklich schätzen, weil die Welt um ein Arschloch ärmer ist.« Sam starrt ihn nur an, weil er solche Vorträge nicht jeden Tag zu hören bekommt. Gonzo seufzt. »Sam«, sagt Gonzo, »mach das nie wieder.«
    Wir ziehen weiter.
    Es ist ein tropischer Wald, der nach Schiss und Parfüm riecht. Ein Parfüm wie im Ankleidezimmer einer außerordentlich teuren und umweltbewussten Prostituierten. Wenn man den Kopf in die eine Richtung dreht, kitzelt ein feiner Duft von Rosen und Moschus die Nase. Dreht man ihn in die andere Richtung, hat man den Geschmack von Trüffeln und etwas schrecklich Obszönem auf der Zunge, sodass man schlucken muss. Dies ist ein primitiver Ort, an dem das Überleben, die Jagd und das rohe Fleisch im Vordergrund stehen. Das ist wie die Frau, die einmal Caucus besuchte, um über den neuen russisch-slawischen Feminismus zu sprechen. Zum Dinner kam sie mit einem Kleid, das sonst nur Mütter tragen, es hatte sogar einen Peter-Pan-Kragen und Ärmel wie zu Shakespeares Zeiten, aber sie trug es bis knapp unter den Rippen offen. Sie rauchte grässliche schwarze Zigaretten, und wenn sie beim Sprechen die Hände, die Schultern und alles, was sie hatte, heftig bewegte, dann sprangen ihre Brüste einzeln oder paarweise hervor, um die Szene zu überblicken (offensichtlich waren es keine Möpse, keine Glocken und auch keine Titten, sondern die echten, einwandfreien Brüste einer kurvenreichen neunundvierzigjährigen Frau, die keinen Büstenhalter trug). Ich hatte schon damals den starken Verdacht, dass sie an diesem Abend mit Sebastian ins Bett ging und ihn beinahe umbrachte.
    Svetlana Yegorova hätte diesen Wald gemocht.
    Wir drängeln uns durchs Unterholz und fühlen uns dabei, als würden wir jemanden entkleiden, den wir besser hätten in Ruhe lassen sollen. Eigentlich verstecken wir uns nicht. Nach Sams lautem Schuss hätte das sowieso keinen Zweck mehr gehabt. Wir bewegen uns einfach nur vorsichtig, wie man es in der neuen Welt eben tut. Wir achten aufeinander und decken uns gegenseitig. Außerdem merken wir uns Stellen, an denen wir uns gut verteidigen könnten, Rückzugsorte und jene Abschnitte, in denen wir auf keinen Fall feststecken wollen. Dann kommen wir um eine Ecke, und vor uns liegt eine Lichtung mit einem kleinen, befestigten Dorf voller kleiner hübscher Häuser, die hinter einer Palisade aus Stein und Holz hocken. Es ist hübsch, und dies kann man nicht gerade über viele Dörfer in der neuen Welt sagen. Die Häuser sind stabil und massiv gebaut, wirken aber auch etwas altmodisch. Unwillkürlich suche ich den Nippes in den Fenstern. Leute, die in hübschen kleinen Häusern wohnen, verspüren unweigerlich den Drang, ihre Fensterbänke mit Fotos aus der Grundschule und Porzellanhunden vom Urlaub am Meer vollzustellen, bis das schöne Holz und der verwitterte Stein unter Schichten von Postkarten, Biskuitkrümeln, Teppichflusen und Katzenhaar verschwindet.
    Kein Nippes. Die Häuser sind relativ neu, und die Bewohner hatten wohl weder Zeit noch Muße, solchen Tinnef zu sammeln. Die Wände haben Narben und Risse und wurden offenbar durch Schüsse, Schläge und Flammen in Mitleidenschaft

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