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Die gelöschte Welt

Die gelöschte Welt

Titel: Die gelöschte Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Harkaway
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Grund dafür. In all den Bergen und Seen von Addeh Katir gibt es nicht genug Geld, Gold, Öl, Diamanten oder seltene Erden, um all das aufzuwiegen. Es war nutzlos und sinnlos. Nur ein Idiot würde sich auf eine solche Schlacht einlassen.«
    Zaher Beys Stimme klingt jetzt ein wenig belegt. Er spricht nicht laut und deklamierend, aber sehr eindringlich und mit schrecklicher Gewissheit.
    »Nur ein Idiot oder eine Maschine. Die All Asian Investment and Progressive Banking Group war eine Maschine zum Geldverdienen, und Addeh Katir wollte nicht zahlen. Es spielte keine Rolle, dass der Aufwand beim Eintreiben größer war als die Schuld. Wir durften nicht davonkommen, denn das hätte Sand ins Getriebe gestreut und die Maschine zerstört. Sie kann sich nur in eine einzige Richtung bewegen. Deshalb hat sie uns überrollt. Verstehst du das? Sie hat uns überrollt. Hier wird es nicht anders verlaufen.«
    Ich bin nicht sicher. Es klingt zwar einleuchtend, aber auch sehr deprimierend. So viele Dinge müssten dabei schiefgehen, und so viele Menschen müssten faul oder böse sein. Es ist doch weit hergeholt. Zaher Bey zuckt mit den Achseln und trinkt sein Bier aus. Er legt den Kopf in den Nacken, bis der Schaum in seinen Mund rutscht, und breitet die Arme aus.
    »Genug! Ich bin ein pessimistischer alter Mann auf einer Party. Blabla! Es reicht! Ich werde diesen jungen Leuten zeigen, wie man tanzt, oder wenigstens beim Versuch sterben. Wo ist die Kapelle? Macht Musik! Das Vergnügen soll beginnen!« Er springt auf und hebt die Stimme. »Ich bin hier! Zaher ibn Solomon Bey, Freeman von Addeh Katir, der Prinz des Ententanzes und der Sultan des unbeschreiblichen Conga!« Die Leute antworten mit Jubelrufen, dann stürzt er sich ins Getümmel. Tatsächlich gibt es irgendwo eine Band, er macht sie ausfindig und bespricht mit ihnen eine Melodie, die ihm gefällt. Dann schnappt er Huster am Arm und bildet mitten im Raum eine Cancan-Reihe.
    Ich komme spät nach Hause, bin aber noch vor Leah da, die in der Krankenstation die Nachtschicht übernommen hat. Sie gleitet ins Bett, als der Himmel schon wieder hell wird, und drückt ihre kalte Nase gegen meinen Rücken.
    »Ich liebe dich«, sagt sie.
    Ich liebe sie auch. Ich glaube, ich sage es auch, aber vielleicht grunze ich nur ein wenig. Jedenfalls ist sie zufrieden. Der Druck ihrer Nase lässt nicht nach.
     
    Huster geht fort. Wir winken zum Abschied und leben irgendwie weiter. Eine Weile denke ich nicht mehr über Zaher Beys Befürchtungen nach. Keine schreckliche Katastrophe bricht aus, und Hellen Fust trifft einige gute Entscheidungen. Ein paar Dinge werden schärfer kontrolliert, und einige kleine Streitigkeiten werden recht gut beigelegt. Sie hat ein gewinnendes Lächeln und denkt sehr praktisch. Sie ist nicht Huster, aber sie ist auch nicht dumm. Sie wird uns reichen. Van Meents hält sich eher zurück, aber auch er ist kein Volltrottel. Schließlich denke ich, dass der Bey vielleicht doch nur betrunken und rührselig war, was ja jedem mal passieren kann, sogar einem Helden – und ich habe keinen Zweifel daran, dass er einer ist. Ein wirklich guter Mann. Ich sehe ihn nicht oft, weil Leah und ich damit beschäftigt sind, ein paar Möbel zusammenzusuchen und uns in unserem verrückten, v-förmigen Apartment einzurichten. Einer von Rao Tsurs Freunden schickt uns ein paar Trockenblumen, Veda erscheint persönlich mit einer Holzkohlezeichnung von Shangri-La, die sie aus dem Gedächtnis angefertigt hat. Den Rahmen hat sie aus dem Treibriemen eines Ventilators und den Überresten irgendeiner Vertäfelung hergestellt. Hin und wieder sehe ich den Bey mit einem der Teams ausrücken oder auf dem Dachgarten mit Leuten reden. Die übrigen Katiris verflüchtigen sich irgendwie – sie finden auf der Piper 90 keine Jobs und machen nicht mit. Sie sind da, man kann sie hören und gelegentlich auch sehen, aber meist bleiben sie unter sich. Ich denke mir, dass sie vielleicht einfach nur eine Weile ihre Ruhe haben wollen. So arbeite, spiele und schlafe ich, das Essen auf der Piper 90 wird ein wenig besser, und irgendwie vergehen ein paar Monate.
    Bis wir auf die gefundenen Tausend treffen und ich bis über beide Ohren drinstecke. Schon wieder.
     
    Es beginnt mit einem Stück Schnur und einem Stock. Genauer gesagt, mit einem Bindfaden. Der Bindfaden und der Stock sind auf eine einfache und doch wirkungsvolle Weise miteinander verbunden, damit eine Art Schlinge entsteht. In der Schlinge steckt ein kleines,

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