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Die gelöschte Welt

Die gelöschte Welt

Titel: Die gelöschte Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Harkaway
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gezogen. Kleines Schweinchen, kleines Schweinchen … ob die erste Version des Dorfs Häuser mit Strohdächern hatte? Wie viele Bewohner wurden von den einheimischen bösen Buben geröstet (vielleicht können die erwachsenen Kaninchenfische Feuer speien), bevor sie alles wieder in Ordnung bringen konnten? Je länger ich es ansehe, desto deutlicher wird, dass dieses Dort verteidigt werden kann und auch verteidigt wurde. Das Gras verdeckt beinahe die zugespitzten Pflöcke, die eine Handbreit aus dem Boden ragen. Es macht keinen Spaß, über ein Feld voller solcher Dornen hinweg ein Dorf anzugreifen. Dazu braucht man schwere Stiefel oder Raupenketten. Schuhe oder normale Reifen werden durchbohrt. Es gibt einen sicheren Weg, der jedoch stark gewunden verläuft. Reichlich Zeit für die Verteidiger, die Angreifer einzeln zu erschießen, falls es nötig sein sollte. Sobald man drinnen ist – was sowieso nicht so leicht zu schaffen ist –, hat man nur von den Dächern aus einen guten Überblick. Die Häuser bilden rings um das Dorfzentrum ein undurchschaubares Gewirr. Man müsste für jeden Meter teuer bezahlen.
    Die Leute wissen, was sie wollen. Überleben. Sie haben schwere Zeiten gesehen und es überstanden. Damit sind sie uns ziemlich ähnlich. Gonzo grinst breit, als er endlich vor dem Tor steht und anklopfen kann. Es klingt dumpf wie alle Dinge, die sehr, sehr massiv sind. Er klopft lauter. In der Tür gibt es eine kleine Pforte, und in der Pforte findet sich ein kleiner, vergitterter Sehschlitz, der sich öffnet, weil uns jemand betrachten will. Dann spricht sie.
    »Geht weg.«
    »Wir sind keine Banditen«, sagt Gonzo. »Wir brauchen keine Vorräte und wollen nicht bei euch einziehen. Vielmehr haben wir gute Neuigkeiten.« Es klingt beinahe verlegen.
    »Und wer bist du?«, fragt sie.
    »Ich bin Gonzo Lubitsch«, erwidert Gonzo, und dann geht er gleich aufs Ganze. »Ich bin hier, um euch zu retten. Wir können euch an einen sicheren Ort bringen, wo es keine Monster gibt. Wir bringen die Welt wieder in Ordnung.«
    Hinter der Tür ertönt ein gedämpftes Schnauben.
    »Wirklich?«
    »Ja!«
    Sie kichert.
    »Wir haben hier einen sicheren Ort, Gonzo Lubitsch der Retter«, sagt die Frau hinter dem Gitter. »Wir brauchen euch nicht. Geht doch einfach den Weg runter in den Wald und rettet jemand anders. Wir werden es euch nicht übel nehmen. Wir kommen hier schon klar. Aber trotzdem vielen Dank.«
    Sie klappt energisch, aber nicht unhöflich den Sehschlitz zu und öffnet trotz unseres beharrlichen Klopfens nicht mehr. Wir treiben uns noch eine Weile dort herum, kommen uns dumm vor und kehren schließlich zur Piper 90 zurück.
    Hellen Fust und Ricardo van Meents sind nicht gerade erfreut.
    Das Problem ist nicht groß, betrifft aber eine Schlüsselposition. Das Dorf liegt an einer strategisch und logistisch wichtigen Stelle. Im Süden gibt es eine Wasserfläche, die wir vorläufig als größeren See bezeichnen. Im Norden ist das Land zerklüftet und gebirgig. Wir könnten dort zwar das Rohr weiterbauen, aber die Piper 90 kommt nicht bis dort hinauf. Also müssten wir langsamer fahren, an einer Seite beginnen und das Rohr von unserer Operationsbasis aus immer weiter vortreiben, wobei wir immer schlechter geschützt wären, bis der halbe Weg geschafft ist. Dann würde die Piper 90 zum anderen Ende der Umleitung fahren und müsste abwarten, bis der Kontakt nach fünf Wochen endlich wiederhergestellt wäre (ein Kilometer pro Stunde mal vierundzwanzig Stunden mal sieben Tage mal fünf Wochen, das entspricht achthundertvierzig Kilometern). Damit lägen wir weit hinter dem Zeitplan, ganz zu schweigen von dem längeren Weg und der Tatsache, dass ein Teil des Rohrs unzugänglich, nicht zu warten und keinesfalls zu verteidigen wäre.
    Die Piper 90 wird so oder so mitten durch das Dorf fahren. Da die Piper 90 ein großes schweres Ding aus Stahl und breiter als die gesamte Siedlung ist, bedeutet das schlicht und ergreifend, dass das Dorf danach nicht mehr existieren wird.
    Der Beirat wird gefragt, ob es einen Ausweg gibt. Hellen Fust kommt den ganzen Weg von einem Treffen auf höchster Ebene herunter und fragt höflich, ob jemand eine Lösung für das Problem wüsste. Vor allem fragt sie Zaher Bey. Er antwortet nicht, sitzt nur da und starrt sie unter den Augenbrauen hervor an, als wäre sie ein mäßig giftiges Insekt.
    »Ich sehe keine Alternative«, sagt Hellen Fust.
    »Es ist natürlich eine schlimme Sache«, fährt Hellen Fust

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