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Die gelöschte Welt

Die gelöschte Welt

Titel: Die gelöschte Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Harkaway
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Hellen Fust. »Ich habe was gehört.« Ricardo van Meents, der aus irgendeinem Grund einen Wüstentarnanzug trägt, marschiert ins Haus.
    Auch das kommt mir bekannt vor: eine bewaffnete Truppe, die den Bey und seine Kumpane erfolglos verfolgt und ein leeres Haus durchsucht. Eine alte Narbe auf meinem Kopf juckt. Oh. Beinahe betrachte ich Ricardo van Meents mit einer gewissen Sympathie. Im Eingang ist einen kleinen Moment lang direkt unter dem Türsturz ein wütend zuckender gesträubter Schwanz zu sehen. Van Meents bemerkt es nicht.
    Ich schließe die Augen und zähle bis drei. Dann höre ich einen teuren Manager schreien, weil ihn eine sexuell frustrierte, tollwütige Katze von oben angefallen hat. Ich frage mich, ob ich das Tier kenne und ob es eigens zu diesem Zweck importiert wurde. Dann muss ich lachen.
    Ricardo van Meents kommt herausgerannt, auf seinem Kopf sitzt ein erboster Kater mit nur einem Ohr, der auch noch den größten Teil seiner Nase verloren hat. Hellen Fust starrt mich böse an und kommt ihm zu Hilfe. Damit bin ich fristlos entlassen, aber da ich ohnehin schon gekündigt habe, ist das kein Problem mehr.
    Am Abend packen wir unsere Sachen und verlassen die Piper 90. Wir fahren am Rohr entlang zurück und schlafen in den Autos. Mehrere Tage reisen wir durch den Flickenteppich der Landschaft an Zweigleitungen entlang, bis wir das Hauptrohr erreichen und endlich am Rande einer Ansammlung von Hütten, die sich großspurig »Stadt« nennen, auf eine zwielichtige kleine Bar stoßen. Auf einem Schild steht: »Willkommen in Exmoor.« Das glaube ich nicht. Eher schon, dass Exmoor meine Nase nicht mag, im Augenblick aber noch darauf verzichtet, mir mit dem Axtstiel eins überzuziehen. Wenigstens können wir hier anhalten und uns überlegen, was aus uns geworden ist.
    Wir parken, strecken uns und sehen uns in dem hässlichen kleinen Ort um. Es riecht stark nach Schweinen und nach der üblen Spelunke am Ende des Ortes. Sally Culpepper wusste im Grunde schon seit Monaten, dass es irgendwann zu Ende gehen würde, und außerdem war ihr klar, dass es unter der Führung von Leuten wie van Meents und Fust immer einen Bedarf an echter Kompetenz in Gestalt von freien Mitarbeitern geben würde. Sie bugsiert uns nun in den Saloon, stellt unsere Biergläser auf den Tisch und erklärt uns, was wir von jetzt an sind: die Haulage & Hazmat Emergency Freebooting Company. Der Hauptsitz müsse noch gefunden werden, und wir dürften sie mit »Sir« anreden. Jim Hepsobah umarmt sie, hebt sie hoch und setzt sie sich auf die Schultern. Wir trauern unseren verlorenen Jobs nach, indem wir inmitten einer Ansammlung beunruhigender Flecken um den Pooltisch dieser grässlichen, namenlosen Kaschemme herumtanzen, bis der Wirt so formvollendet und talentiert über uns zu fluchen beginnt, dass wir innehalten und unszusammennehmen.
     
    Zaher Beys Brief erreicht uns auf unbekannten, unvorstellbaren Wegen. Auf einmal lehnt er neben einem Korb mit verrückt aussehenden Früchten und dem ersten anständigen Käse seit der Großen Löschung an der Tür der Bar ohne Namen. Das Papier ist rau, die Buchstaben sind großartig gemalt. Es ist die Handschrift eines Menschen, der das römische Alphabet als zweite Schriftsprache gelernt hat – und der seine Worte deshalb so andächtig niederschreibt wie ein Besucher, der auf einem ausgebleichten Teppich unwillkürlich vorsichtig auftritt.
     
    Meine lieben Freunde,
    mit dem tiefsten Bedauern entschuldige ich mich dafür, dass ich mich nicht gebührend verabschiedet habe. Nq'ula beharrte unerbittlich darauf, dass unsere Abreise überraschend erfolgen müsste, damit möglichst viel Zeit vergeht, ehe diejenigen, die wir jetzt als Feinde betrachten müssen, Verfolger aussenden können. Er bittet mich, euch mitzuteilen, dass diese Geheimhaltung keinesfalls auf einen Mangel an Vertrauen zurückzuführen war, sondern dass es vielmehr eine Geste des Respekts angesichts eurer Aufrichtigkeit bedeutete, da ihr an das große Projekt glaubt, an dem wir alle teilnehmen: die Erschaffung einer besseren Welt. Nicht einmal meine eigenen Leute waren in vollem Umfang in unseren Plan eingeweiht. Gern hätte ich die Angelegenheit mit euch diskutiert, doch ich wagte nicht, euch hineinzuziehen, als ich diejenigen täuschte, die über meine Pläne im Ungewissen bleiben sollen. Diese Entscheidung raubte mir jedoch auch die Gelegenheit, Lebewohl zu sagen, was ich gern getan hätte. Zugleich konnte ich nicht auf eure Unterstützung

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